Netto ist der Discounter von Edeka. Zusammen führen sie die “Big Five” des Einzelhandels an, mit einem doppelt so hohen Umsatz wie Aldi. Der wüste Preis- und Verdrängungskampf in der Branche wird auf Kosten der Beschäftigten geführt – netto ist da ganz vorne dran. Von den “geringfügig” Beschäftigten bei netto (die Mehrheit der insgesamt dort Beschäftigten) erhalten die meisten tarifwidrige Stundenlöhne von 7,50 Euro. Eine “Mindest”lohngrenze, die netto selbst erfunden hat, die allerdings noch mehr als einen Euro unter dem Eingangstarif z.B. in NRW liegt. Zahlreiche weitere Tarifverletzungen bei Lohn- und Gehaltszahlungen und bei den Arbeitszeitregelungen sind an der Tagesordnung.
Ab 2011 treffen sich ver.di KollegInnen von Netto und begannen Mitte 2011 mit öffentlichen Aktionen, damit das Unternehmen sich an die geltende Gesetze und Tarifverträge hält. Schwerpunkt der Aktivitäten ist Göttingen. Und dort sind bereits an vielen Stellen Verbesserungen durchgesetzt worden. Unterstützt werden die KollegInnen von einem Netz aus PatInnen (Öffentlichkeit und Politik). Bei einer Aktion im Oktober erteilte Netto allen ver.di Mitgliedern pauschal Hausverbot, viele PolitikerInnen des nieders. Landtags und aus der Region Göttingen schrieben daraufhin Protestbriefe an die EDEKA Zentrale.
Netto reagiert auf diese neue Kultur gewerkschaftlicher Präsenz so: Die Vertrauensleute werden unter Druck gesetzt, im Juli 2012 schließt Netto dann innhalb von vier Wochen vier der sieben Filialen in Göttingen. Die Schließung gehen ohne Ankündigung von statten. Jeweils an einem Samstag werden die Beschäftigten über die Schließung informiert und müssen helfen, die Waren aus den geschlossenen Filialen zu transportieren. Kunden und Beschäftigte werden von den Aktionen jeweils völlig überrascht (Einzelheiten im ver.di blog zu nett0).
Die rabiaten Schließungsmaßnamen widersprechen dem Aufwärtstrend von netto und sind bundesweit ohne Beispiel. Es steht also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine betriebswirtschaftliche Kalkulation dahinter, sondern eine typische Maßnahme aus dem Bossing-Lehrbuch. In Lehrgängen und auf Schulungen empfehlen antigewerkschaftliche orientierte Rechtsanwälte und Unternehmensberater ausdrücklich Betriebs(teil)schließungen als Mittel gegen starke Betriebsräte oder Gewerkschafter.
Nun hat sich unter dem Druck der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft, der PatInnen (hier das Konzept dafür) und der Öffentlichkeit die Geschäftsführung zu erneuten Verhandlungen bereit erklärt. Auf dem ver.di-blog werden die aktuellen Informationen eingestellt – es wird außerdem zu ähnlichen Aktivitäten im Einzelhandel verlinkt. Unbedingt lesenswert, unbedingt nachahmenswert!!