Perspektiven gegen Arbeitgeber-Monster:
Die Täter dingfest machen
Auf dem Betriebsrätetreffen am 11.10. in Mannheim hat Albrecht Kieser für work-watch die Methoden zusammengefasst, deren Anwendung eine erfolgreiche Gegenwehr gegen Betriebsräte-Fresser möglich macht. Hier sein Bericht:
Wir können die Attacken der Betriebsräte- und Gewerkschaftsfresser wahlweise auflaufen oder ins Leere laufen lassen oder sie in die Verzweiflung treiben, anstatt uns von ihnen verrückt machen zu lassen. Sie sind zwar gemeiner und skrupelloser, aber sie sind nicht stärker als wir.
Ja, es stimmt, sie haben über die Jahre bereits zahlreiche Betriebsratsmitglieder zum Aufgeben gezwungen, ganze Betriebsratsgremien aufgelöst und aus den Unternehmen getrieben und andere schon vor der Geburt erdrosselt. Aber sie haben sich auch schon die Zähne ausgebissen, sind mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden und haben viele Federn gelassen.
Worauf kommt es an, um das öfter als bisher zu erreichen? Nicht nur darauf, dass wir in allen Regelkreisen, in denen sie ihre Angriffe fahren oder unterstützt werden, angemessen antworten. Sondern dass wir vom Reagieren weg und in die Offensive kommen. Durch alle Regelkreise unseren Strom schicken und diese Regelkreise wenn möglich auch noch kurz schließen.
1.) Die Belegschaft
Die Angriffe der Union-Buster und Bosser richten sich gegen die Belegschaft. Die Belegschaft ist es, die sie mundgerechter aussaugen wollen. Nur wenn Betriebsräte so etwas nicht zulassen, beißen sie zu, wollen sie zerfleischen, wollen sie ausspucken. Anders gesagt: Sie schlagen den Sack und meinen den Esel. Sobald sich ein Betriebsrat auf die Scharmützel um formaldemokratische Rechte, Abmahnungen und Kündigungen einlässt bzw. beschränkt, hat der Arbeitgeber gewonnen. Am Ende steht die Isolierung des Betriebsrats von der Belegschaft, die nicht mehr versteht, warum sie dieses Gremium verteidigen soll, das sich nur noch um sich und seine Rechte zu drehen scheint (in Wahrheit: gedreht wird, wie ein Brummkreisel). Ein Betriebsrat hingegen, der in keiner Phase der Auseinandersetzungen vergisst, dass er z.B. ein gerechteres Lohnsystem durchsetzen, eine Abteilungsschließung verhindern oder befristete Arbeitsverhältnisse entfristen wollte und will, lässt sich vom Arbeitgeber nicht ins Kinkerlitzchen-Abseits peitschen.
Von Anfang an muss ein Betriebsrat, der unter Beschuss gerät, Bündnispartner suchen: im Betrieb (nämlich Nichtbetriebsratsmitglieder) und außerhalb des eigenen Betriebes (andere Betriebsräte, andere Gewerkschaften, Freunde, Kirchenvertreter, Sportverein…). Das muss organisiert werden: durch regelmäßige Treffen mit KollegInnen aus dem Betrieb und durch ein Solidaritätskomitee, das die Kräfte außerhalb des Betriebes umfasst. Sobald klar ist, dass der Gegner eine Vernichtungsstrategie (ja, man muss das so nennen, auch wenn es martialisch klingt) fährt, braucht es breite Unterstützung. Das ist nicht nur überlebensnotwendig, sondern macht sogar Spaß. Und kann schließlich sogar zur Etablierung eines örtlichen oder regionalen Solidaritätskomitees führen, das sich auch bei ähnlichen Konflikte in anderen Betrieben engagiert.
2.) Die Gewerkschaften
Betriebsräte-Fresser wollen immer auch Gewerkschaften fressen. Widerborstige, versteht sich. Handzahme werden selbstverständlich gestreichelt. Leider haben das weite Teile der Gewerkschaften noch immer nicht begriffen und wollen die Bedrohung nicht verstehen, die von den Salafisten unter den Arbeitgebern ausgeht. Wegschauen, Wegducken oder das Hoffen auf die Wiederkehr ruhiger sozialpartnerschaftlicher Zeiten in den angegriffenen Betrieben sind schlechte Ratgeber. Auch die IG Metall hat noch keine Handreichung erarbeitet, die angegriffene Betriebsräte über den Fahrplan der Gegenseite und erfolgreiche Gegenwehr aufklärt. Bislang beschränken sich Tipps und Tricks auf die Bewältigung von Mobbingproblemen in der Belegschaft (so auch die gute Broschüre der IG Metall „Mobbing wirkungsvoll begegnen“: http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/igm/mobbing.pdf). Die es zwar auch gibt, die aber mit Bossing und Union-Busting so wenig zu tun hat wie ein Beinbruch mit Mord. Es gibt Musterbetriebsvereinbarungen zum Kollegen-Mobbing (https://www.work-watch.de/category/service_unterstuetzung/). Es gibt noch keinen Leitfaden gegen Betriebsräte- und Gewerkschaftsfresser. Der ist nötig. Für ihn ist es höchste Zeit. Das können wir vor Ort anpacken (vielleicht in Zusammenarbeit mit anderen KollegInnen), wo wir stark sind und die hauptamtlichen KollegInnen das Problem so scharf erkannt haben, wie es ist. Ein ermutigender, erfrischender Leitfaden wird zeigen: wir haben das Problem erkannt, wir nehmen die Herausforderung ernst, wir wehren uns mit Witz, mit Verstand und mit der Macht unserer Organisierung.
3.) Die Öffentlichkeit / Die Zivilgesellschaft
Eine Gesellschaft, die zulässt, dass in ihren Unternehmungen nackte Willkür herrscht, geltendes Recht mit Füßen getreten wird und Körperverletzung ungestraft an der Tagesordnung ist, wird selber krank an Leib und Seele. Das wissen bereits viele, die nicht unmittelbar von einem Bossing-Angriff betroffen sind. Anderen kann das klar gemacht werden. Aber dafür müssen wir raus aus dem Betrieb und rein in andere Sektoren des Lebens: Vereine, Kirchen, Kneipen. Schön ist, wenn uns dabei kritische MedienmacherInnen helfen. Die gibt es durchaus und manchmal warten sie nur auf unseren Anruf oder eine gute Aktion.
Eine gute, nein: sehr gute Aktion ist, Seminare der Unrechtsanwälte (z.B. www.schreiner-praxisseminare.de), die es regelmäßig in allen großen Städten gibt, zu stören. Und wenn es nur das stumme vor dem Veranstaltungshotel Stehen ist. Mit Schildern: „Hier wird Rechtsbruch gelehrt.“ Oder: „Hier versammeln sich Antidemokraten.“ Oder ein scharfes Schreiben an das Tagungshotel, das draußen verteilt wird. Oder was auch immer. Man kann auch in den Seminarraum gehen. Oder Fotos von den Teilnehmern machen…
Für solche Aktionen braucht man nicht Hunderte sondern nur ein paar AktivistInnen. Und ein paar JournalistInnen, die berichten.
Solche Aktionen werden den Boden bereiten für ein Solidaritätskomitee, wenn es denn nötig wird.
4.) Die Justiz
In unserem Buch „Die Lastenträger“ berichtet die verdi-Sekretärin Christina Frank in ihrem Beitrag vom „Dornröschenschlaf“ von Staatsanwälten und (Arbeits-)Gerichten und ihrem albtraumhaften Unverständnis, was die von Arbeitgebern begangenen Rechtsbrüche in den Betrieben betrifft. Diese Rechtsbrüche, ebenso wie die Rechtsverdrehungen und kriminellen Attacken von Arbeitgeberanwälten werden durch die Bank nicht ermittelt, nicht verfolgt, nicht angeklagt und nicht verurteilt. Faktisch herrscht für Arbeitgeber und ihre Helfershelfer heute diesbezüglich Immunität. Das muss nicht so bleiben. Ein ähnlich rechtsfreier Raum war früher die Ehe, in der Gewalt und Vergewaltigung als Kavaliersdelikt bagatellisiert oder sogar befürwortet wurden.
Von selber ändert hat sich das nicht geändert und wird sich auch bei den Rechtsbrüchen in den Betrieben nicht ändern. Wo kein Kläger, da kein Richter. Das heißt: wir müssen die Kläger sein. Die Richter werden nicht anders können als zu richten, wenn wir das unüberhörbar und unübersehbar sind.
Gelingt es ein erstes und danach ein zweites Mal, in einem Pilotverfahren einen der Betriebsräte-Fresser anzuklagen und verurteilen zu lassen, wird das ein Fanal sein. Und die alltägliche Arbeitgeber-Kriminalität in den Betrieben wird öffentlich dringlicher thematisiert und zurückgedrängt werden.
5.) Die Politik
Im Krieg der Betriebsräte- und Gewerkschaftsfresser geht es um Landgewinn. Um Machtverschiebungen und um das Arbeitergeber-„Recht“ auf Profitmacherei, die noch weniger durch Schutzgesetze gestört wird. In der Krise ist das leichter, weil die Menschen mehr Angst haben.
Uns geht es auch um Landgewinn und Machtverschiebungen. Allerdings zu Gunsten der 99 Prozent der Bevölkerung. Uns geht es um Menschenrechte. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muižnieks, hat Ende 2013 eine Studie herausgegeben: „Schutz der Menschenrechte in Zeiten wirtschaftlicher Krise“. Das ganze Spektrum der Menschenrechte werde durch die Krise in Mitleidenschaft gezogen, heißt es da, es gehe jetzt darum, die „weitere Erosion wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte aufzuhalten“.1 Was die Wortwahl betrifft, befinden wir uns also in guter Gesellschaft.
Das der Politik beizubringen, ist schwer, aber unausweichlich. Mehr Politiker müssen den Arbeitnehmerschutzrechten wieder mehr Aufmerksamkeit schenken, ihnen mehr Geltung verschaffen (indem sie z.B. die Staatsanwälte in Bewegung setzen) und mehr Angst vor ihren Wählern haben, wenn sie das nicht tun.
Aber es dürfte auch den zynischsten unter ihnen schwer fallen, öffentlich zu verteidigen, dass in zahlreichen Betrieben Willkür und Rechtsfreiheit herrschen und herrschen sollen und dass man hier nicht für Abhilfe zu sorgen braucht.