Der Paketmarkt wird immer größer. Ein Moloch. Und er ist heiß umkämpft. Jeder der großen Konzerne versucht mehr Marktanteile zu erobern und die Konkurrenz abzudrängen. So etwas geht immer auf Kosten der Beschäftigten. Bei der Post – DHL – mit der Methode Outsourcing, Lohnabbau, Tarifflucht. Weshalb die Gewerkschaft ver.di dagegen streikt.
Viele Branchen-Beschäftigte außerhalb von DHL hätten ebenfalls gute Gründe zu streiken. Aber sie arbeiten weiter, denn sie sind vereinzelt und nicht gewerkschaftlich organisiert. Es sind die Fahrer der Tausenden „Servicepartner“, die im Auftrag von Konzernen wie DPD, Hermes oder GLS Pakete ausliefern. Diese „Servicepartner“, meist kleine Unternehmen mit vier bis sechs Fahrern, sind komplett abhängig von ihren Auftraggebern. Viele von ihnen stehen am Rande der Pleite. Also halten auch ihre Fahrer still, sie wollen ja ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Genau darauf ist das System der privaten Paketdienste ausgerichtet: „Friss oder stirb. Insolvenz? Der Nächste bitte!“.
Wie bei DPD. Dieser Paketkonzern hatte noch nie eigene Fahrer. Deshalb sind ihre Methoden des Lohndumping andere. Auch wenn die Kosten für die „Servicepartner“ steigen, z.B. durch den Mindestlohn, erhalten sie kaum mehr Geld von DPD. Das würde nämlich den Konzernprofit schmälern und die Bonuszahlungen für die leitenden Angestellten. Deshalb haben Subunternehmer bei DPD schlechte Karten, wenn sie eine höhere Vergütung fordern. Im Depot Gudensberg bei Kassel ist es deshalb zum Eklat gekommen.
Ein Protestbrief der Fahrer
Dort musste ein Unternehmer gehen, weil er auf höhere Preise gedrängt hatte. Sie wären nötig gewesen, um den Fahrern den gesetzlichen Mindestlohn zahlen zu können und sie nicht mehr die üblichen zwölf und mehr Stunden fahren zu lassen. Denn auch Paketfahrer haben ein Recht auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstarbeitszeit bzw. Wochenendruhezeit. Das DPD-Depot hat die Forderung abgelehnt und bevorzugt andere „ Systempartner“, die mit den bisherigen Paketpreisen zufrieden sind. Warum sie das sind? Das haben jetzt fünf ehemalige Fahrer eines solchen Systempartners beschrieben. In einem Brief an die DPD-Zentrale in Aschaffenburg schildern sie, wie ihr früherer Arbeitgeber sie – mit Wissen der DPD-Depotleitung – betrogen hat.
In dem Brief heißt es:
- „Auf Nachfragen, ob der Fahrer denn nun endlich sozialversicherungspflichtig angemeldet ist, kamen nie Reaktionen.“
- Den Arbeitsvertrag hat der Arbeitgeber „ohne Einverständnis und ohne Wissen“ des Fahrers „eigenhändig unterschrieben“.
- „Versprochene Spesenzahlungen erfolgten nicht.“
- Eine Angestellte wartet noch immer (nach ihrem Ausscheiden) „auf 3.000 Euro Bruttogehalt, 8,5 Monate Spesen in Höhe von monatlich 168 Euro sowie 19 Tage Urlaubsgeld“.
- Ein anderer Fahrer, der am ersten Tag seiner Krankheit gekündigt wurde, wartet auf „3.000 Euro Bruttolohn, Spesenzahlungen von 408,50 Euro, Urlaubsgeld von 692,30 Euro“.
- „Wir Fahrer wurden immer wieder mit einem restlos überladenen Fahrzeug auf Tour geschickt, welches weder über vorgeschriebene Transportsicherungen, Feuerlöscher oder Fahrtenbücher verfügte.“
- „Arbeitszeiten, die von morgens 5.30 Uhr bis abends zwischen 18 – 21 Uhr gehen, sind beim besten Willen nicht menschenwürdig. Und das für ein Gehalt von 1.500 Euro brutto, welches ja auch nicht gezahlt wurde!“
- „Die Fahrzeuge sind Mietfahrzeuge der Firma Hertz oder Sixt gewesen. Schäden wurden den Fahrern grundsätzlich in Rechnung gestellt.“
- Irgendwie hat es dieser Servicepartner „immer geschafft, sich aus allem heraus zu winden und alles zu seinem Vorteil zu drehen. Was vielleicht auch daran liegen kann, dass die Depotleitung ihre Hände über ihm hält.“
- „DPD hat es eingeführt, dass ein Arbeitnehmer, der selbständig kündigt, eine 3-monatige Sperre erhält. Das heißt in dieser Zeit Haus-, Hof- und Zustellverbot bei DPD.“
- „Das Depot ist darüber informiert worden, dass keine Löhne etc. gezahlt wurden, was aber die Leitung nicht interessiert hat.“
- Außerdem hat die Depotleitung diesem Servicepartner „Tipps gegeben, wie er seine Tourenangebote zu kalkulieren hat, damit er die Touren bekommt. Das kann man unlauteren Wettbewerb nennen…“
Alles ist gut?
Die DPD-Zentrale in Aschaffenburg hat sich zu den Vorwürfen geäußert. Es hätten sich „keinerlei Hinweise auf Mängel oder Unregelmäßigkeiten ergeben“, behaupten die Verantwortlichen. Sofern es früher einmal „vereinzelt zur Überschreitungen der Lenkzeiten“ gekommen sei, hätte „die Arbeitszeit erfolgreich reduziert werden“ können. Von Absprachen zwischen Depotleitung und dem genannten Systempartner könne nicht die Rede sein und von einer systematischen Umgehung des Mindestlohns im Depot auch nicht.
Also doch heile Welt in Gudensberg? Wie überall bei DPD?
Wohl nicht. Es sei denn, die fünf Fahrer hätten sich all ihre Vorwürfe aus den Fingern gesogen oder das Blaue vom Himmel herunter gelogen.
Für Klarheit könnten die staatlichen Aufsichtsbehörden sorgen. Aber die rühren sich bislang nicht. Sie könnten sicherlich auch nur dann zur Aufklärung beitragen, wenn sie die Fahrer im Depot persönlich befragen würden. Ist das jemals passiert?
Am besten wäre, wenn die Fahrer gemeinsam mit der zuständigen Gewerkschaft die Sache selbst in die Hand nehmen würden, genau aufschreiben, wie lange sie arbeiten und für welches Gehalt und wie oft in diesem Depot welche Gesetze gebrochen werden. Solche Protokolle müssten bei einem Notar oder Rechtsanwalt hinterlegt und anschließend das Ergebnis ohne Nennung der Namen veröffentlicht werden.
Es kann doch nicht angehen, dass sogar nach so einem mutigen Brief alles beim Alten bleibt: der alltägliche Rechtsbruch, der Betrug als Geschäftsmodell, die Zerstörung der Gesundheit von Fahrern und die Zerstörung ihrer Familien!