Work-watch hat bereits mehrfach über die Methoden des Chemie-Weltkonzerns Mundipharma informiert. Die Angriffe auf gewählte Betriebsräte finden leider kein Ende, wie ein aktueller Bericht aus Frankfurt zeigt. Es geht um die illegale Einflussnahme der Geschäftsleitung auf die Betriebsratswahlen und die Fortsetzung der versuchten Wahlmanipulation vor dem Landgericht:
(gk) Am Rande einer Außendiensttagung des Pharmariesen in Berlin vor etwa einem Jahr: Im Nichtraucherbereich der Hotellobby steuert der Personalchef die Zeugin, die als Business-Coach für Mundipharma arbeitet, gezielt an. Er muss laut sprechen, um die Musik im Hintergrund zu übertönen. Kurz vor den Betriebsratswahlen hat er ein konkretes Anliegen: „Wollen Sie nicht kandidieren?“ zitiert die Zeugin den ehemaligen Personalchef in ihrer Zeugenaussage am 1.10.2015 vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main. Eine heikle und möglicherweise nach Paragraph 119 BVG strafbare Anfrage des Personalleiters, denn das Gesetz untersagt jegliche Einflussnahme der Geschäftsführung auf Betriebsratswahlen. Und genau darum geht es im Verfahren vor dem LAG: die ehemalige Betriebsratsmehrheit ficht die Wahlen vom vergangenen Jahr an, weil die Geschäftsführung von Mundipharma dafür gesorgt haben soll, dass eine neue, ihr genehme Mehrheit im Betriebsrat zu Stande kommt.
Die Zeugin wunderte sich: Noch zwei Tage vor der damaligen Anfrage des Personalchefs in Berlin hatte sie in einem anderen Gerichtsverfahren zu Ungunsten von Mundipharma ausgesagt. Herrn Schöne, der Personalchef, schien das aber nicht zu interessieren, ihm war wichtiger, dass sie schon einmal im Betriebsrat tätig gewesen war, von 2002 bis 2006. Die frühere Zusammenarbeit sei der Geschäftsführung als „konstruktiv“ in Erinnerung geblieben, die Zeugin solle doch erneut „ihren Sachverstand zur Verfügung stellen“. Auf ihre verhaltene Reaktion, so die Zeugin, stellte ihr der Personalchef in Aussicht, gegebenenfalls auch in den Vorsitz des neuen, jungen Betriebsrates aufrücken zu können. Die Zeugin wies dieses Ansinnen zurück, denn zunächst müsse man schließlich gewählt werden und dann seien es die Betriebsratsmitglieder, die im Wahlverfahren über ihren Vorsitz entscheiden. Außerdem wolle sie nicht jeden Tag nach Limburg fahren, dem deutschen Sitz des Unternehmens, und so ihren Status als Außendienstmitarbeiterin verlieren, der – Anmerkung des Autors – in der Regel mit dem Privileg eines Dienstwagens verbunden ist. Die Zeugin schilderte vor Gericht ihren Eindruck, dass Personalchef Schöne Bereitschaft signalisierte, auch auf diese Bedingung einzugehen. Die Zeugin sei nach eigenen Angaben „irritiert“ gewesen. „Mir steht doch nicht `käuflich´ auf der Stirn und ich bin doch kein Wackel-Dackel“, habe sie in diesem Moment gedacht.
Zum Ende der Vernehmung, nach der Befragung der Anwälte von Mundipharma, relativiert die Zeugin ihre Aussagen für das Gerichtsprotokoll: „Ich würde nicht sagen, dass Herr Schöne mich für den Betriebsrat gewinnen wollte – er hat nur mit mir darüber gesprochen“. Diese nachträgliche Beschönigung erinnert an die Zeugenaussagen beim Gerichtstermin im Juli – auch dort hatte eine Zeugin ihre ursprüngliche Aussage stark relativiert. Als Beobachter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als würden in diesem Verfahren Zeuginnen und Zeugen erheblich unter Druck stehen. Aber auch die heutige Zeugin erklärte, weder mit der Geschäftsführung noch deren Anwälten über ihre Aussage vor Gericht gesprochen zu haben. Sie habe sich ausschließlich mit ihrem eigenen Anwalt zur Aussage bei diesem Termin beraten.
Work Watch liegt ein E-Mailverkehr zwischen Rechtsabteilung und ehemaliger Geschäftsführung vom November 2014 vor, der schon Gegenstand des ersten Verhandlungstermins vor dem Landesarbeitsgericht im Mai war. Damals hatte das Arbeitsgerichtes in Wiesbaden in der ersten Instanz die Anfechtungsklage der ehemaligen Betriebsratsmehrheit gerade abgewiesen. Dazu schrieb der damalige Geschäftsführer Günther Niederheide an einen leitenden Mitarbeiter der betrieblichen Rechtsabteilung: „So langsam scheinen sich die eingeleiteten Maßnahmen auszuzahlen. Ich hoffe, Sie bleiben bei NN (hier steht der Name der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, d. Verf.) & Co. eng am Ball. Das ist für Mundipharma äußerst wichtig.“ Für Rechtsanwalt Tjark Menssen ist diese Kommunikation ein weiterer Beleg dafür, dass „ein langfristiges und gezieltes Vorgehen der Firma gegen die Betriebsrätin“ vorliegt.
Am 12.November werden weitere Zeuginnen und Zeugen beim Landesarbeitsgericht gehört und voraussichtlich wird auch das Urteil gesprochen. Unter anderem soll eine ehemalige Sachbearbeiterin aus der Chefetage aussagen, die die jetzige Betriebsratsvorsitzende vor ihrer Wahl beim Personalchef ein- und ausgehen sah.