„Wir sind keine Sklaven“, empört sich ein Mitarbeiter der LSG Sky-Chefs am Düsseldorfer Flughafen. Mit über fünfzig Kolleginnen und Kollegen klagt er vor Gericht, weil die Catering-Tochter der Lufthansa ihnen über Jahre hinweg einen Teil ihres Lohns vorenthalten haben soll. Stein des Anstoßes ist die so genannte U/K-Pauschale für Teilzeitkräfte auf Abruf. Statt Urlaubs-, Weihnachts- und Krankengeld entsprechend ihrer tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu zahlen, berechnete die LSG jahrelang nur die sog. Mindestarbeitszeit von 40 Stunden im Monat und sparte so vermutlich Millionen, so der Vorwurf. Denn die meisten Teilzeitkräfte arbeiteten nicht nur in Spitzenzeiten, sondern seit vielen Jahren, erheblich länger als die üblicherweise vereinbarten 40 Stunden im Monat.
Als sie 1993 mit der Lufthansa eine entsprechende Klausel im Tarifvertrag für Teilzeitkräfte auf Abruf vereinbarte, hatte die Gewerkschaft Ver.di vor allem Hausfrauen und Studierende mit geringem Arbeitszeit-Vertrag im Blick. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht. Die LSG nutzte diese Abmachung und ersetzte nach und nach viele Vollzeitkräfte durch wesentlich billigere und flexiblere Teilzeitkräfte. Bei LSG in Düsseldorf stellen sie inzwischen mehr als ein Viertel der Belegschaft, in Frankfurt weit mehr.
Doch die Beschäftigten wehren sich. Auf Initiative einiger Frankfurter Betriebsräte klagen zahlreiche Abrufer auf Nachzahlung des einbehaltenen Geldes, darunter auch etliche Verd.di-Mitglieder.
Ver.di vereinbarte im letzten Jahr eine neue Tarifregelung mit der Lufthansa, wonach Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die real geleisteten Stunden gezahlt wird, allerdings wirken hier Ausschlussfristen, durch die Ansprüche auf Zahlungen aus der Vergangenheit ausgeschlossen sind. Das sorgt für zusätzlichen Ärger bei den Betroffenen. Im Oktober hatte das ARD Politmagazin Panorama über diesen Konflikt bei der Lufthansa-Tochter berichtet. Daraufhin entschlossen sich auch in Düsseldorf die ersten Teilzeitkräfte auf Abruf, sog. Abrufer, zu klagen und es werden immer mehr. Je nach Arbeitsvertrag geht es um etliche Tausend Euro, für das Küchenpersonal der Fluggesellschaft kein Pappenstiel.
Was die Klagenden außerdem trifft, ist die Benachteiligung bei der betrieblichen Altersversorgung. Obwohl sie über Jahre, manche über zwei Jahrzehnte, wöchentlich nahezu genauso lange arbeiteten wie Vollzeitkräfte, erhalten sie am Ende nur einen Bruchteil von deren Betriebsrente.
Ihr Anwalt, Dr. Kostas Kiourtsoglou, spricht von einem eklatanten Verstoß gegen das “Diskriminierungsverbot” im Teilzeit- und Befristungsgesetz. Demnach müssen Teilzeit- genauso behandelt werden wie Vollzeitkräfte. „Man kann Beschäftigte nicht 160 Stunden im Monat arbeiten lassen, ihnen aber nur auf Basis von 40 Stunden das Weihnachtsgeld oder Beiträge für die Betriebsrente zahlen. Auch wenn das seit 2015 geregelt ist, bleibt die Frage, was mit den Ansprüchen vor dieser Regelung ist.“, sagt Kiourtsoglou. Seine Mandanten hätten gute Chancen, die nicht gezahlten Lohnzusatzleistungen einzuklagen, da „…die LSG die UK/Pauschale bewusst falsch abgerechnet hat.
Obwohl das Arbeitsgericht Düsseldorf der LSG zu verstehen gegeben hat, dass ein erhebliches Risiko besteht, ist die LSG nicht verhandlungsbereit. Sie meint, dass Arbeitnehmer mit einem monatlichen Stundenvolumen zwischen 100 und 150 Stunden seit ca. 30 Jahren freiwillig zur Arbeit erscheinen, um dort ihre Stunden abzuleisten.
LSG beschäftigt bundesweit ca. 1.500 Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Bezeichnung als Mitarbeiter auf Abruf nach wie vor diskriminierend behandelt werden. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wird unter anderem zu prüfen haben, ob ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt. Dafür spricht die Tatsache, dass LSG diese Rechtsgestaltung der Abrufarbeit systematisch verwendet hat, um die Mitarbeiter schlechter als Vollzeitmitarbeiter hinsichtlich des Urlaubsgelds, des Weihnachtsgelds, der Betriebsrente und der U/K-Pauschale zu bezahlen.
Die klagenden Arbeitnehmer auf Abruf werden derzeit bei der Besetzung von neuen Arbeitsstellen im Düsseldorfer Betrieb nicht berücksichtigt. LSG nimmt externe Arbeitnehmer, die sie dann befristet an den neuen Arbeitsplätzen einsetzt. Viele Mitarbeiter auf Abruf haben in den Monaten Januar und Februar jeweils 4 Tage vereinbart. Die klagenden Mitarbeiter auf Abruf lässt man zur Bestrafung aushungern.“, so Dr. Kiourtsoglou.
Strittig sei außerdem die zu Grunde gelegte Stundenzahl in jedem Einzelfall. Schließlich sei der vertragliche Status der „Abrufer“ zu überprüfen, die seit Jahren erheblich mehr Stunden als vertraglich vereinbart, leisten. Durch die jahrelange Praxis könnten diese Beschäftigten längst als reguläre Teilzeitkräfte mit den tatsächlichen Stunden gelten.
Trotzdem zeigt die Geschäftsleitung bisher keinerlei Entgegenkommen – im Gegenteil. Die LSG verweigert den Klagenden sogar die Lohnabrechnungen der letzten Jahre.
Dieses Verhalten passt zum knallharten Sanierungskurs des Lufthansa-Konzerns. Im Zuge der Umstrukturierungen wurden die zwölf deutschen Großküchen der LSG seit 2011 in unabhängige Gesellschaften aufgespalten und ihnen ein strikter Sparkurs aufgezwungen.
Um Entlassungen zu vermeiden, vereinbarte der Betriebsrat der LSG Düsseldorf im letzten Herbst eine 35-Stunden-Woche für Vollzeitkräfte. Abrufkräfte sollen nur noch entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit beschäftigt werden. Hier wird die Frage des vertraglichen Status wieder relevant. Kann man die Arbeitszeit auf den Vertrag reduzieren oder gibt es durch die Praxis inzwischen einen „anderen“ Vertrag?
Um Auftragsspitzen auszugleichen, werden nun Leiharbeitnehmer eingesetzt. Für die Teilzeitkräfte, die über Jahre flexibel und jederzeit auf Abruf zur Verfügung standen, ist das ein Schlag ins Gesicht. Viele sind jetzt auf Sozialleistungen angewiesen. Dabei geht es den
Betroffenen nicht nur ums Geld. Sie wollen wie Menschen behandelt werden. Ob sie in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht Recht bekommen, muss sich allerdings erst noch zeigen.