(gk) Panama-Papiere künftig illegal? Das EU-Parlament hat am 14.April mehrheitlich im Sinne der Konzern- und Arbeitgeberlobby für eine neue EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen gestimmt. Journalisten und ihre Quellen, die etwa bei der Enthüllung über die Briefkastenfirmen in Panama beteiligt sind, könnten künftig dem Risikio der strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sein.
Die Akteure dahinter sind leicht auszumachen: Auf Betreiben zahlreicher europäischer Arbeitgeberverbände und Konzerne hat die EU-Kommission bereits 2013 eine Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vorgelegt. „Europäische Unternehmen sind zunehmend der Veruntreuung von Geschäftsgeheimnissen ausgesetzt“, argumentiert die EU-Kommission, deshalb bedürfe es eines EU-weiten rechtlichen Standards, um diese zu schützen.
Alarmiert waren zunächst viele Gewerkschaften in Europa, aber auch Journalistenverbände, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Die Richtlinie lasse einen großen Spielraum zu für den Missbrauch gegen Whistleblower und Journalisten. Zwar wurde der nun verabschiedete Text im Vergleich zum Entwurf an einigen Stellen modifiziert und die EU-Kommission behauptet, weder „Meinungs- und Informationsfreiheit“, noch „Whistleblower“ seien durch die neue Richtlinie gefährdet, die ausschließlich Fälle in Verbindung mit „Spionage, Diebstahl und Bestechung“ ahnden solle.
Der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament reichte dieses Bekenntnis und sie stimmte zusammen mit Konservativen, der Gruppe “Europa der Nationen” – dazu gehört u.a. die französischen Rechtsextremisten des Front National – für die Richtlinie. Die Liberalen waren gespalten, dagegen stimmten Linke und Grüne. Auch dem Deutschen Gewerkschaftsbund gehen die Modifizierungen nicht weit genug. Zwar habe sie nichts „gegen den Schutz vor Industriespionage“, so Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Aber die Richtlinie schieße auch jetzt noch weit über dieses Ziel hinaus und überlasse die Entscheidung darüber, was nun ein Geschäftsgeheimnis sei, den Unternehmen.
Das hiesige Rechtsverständnis wird auf den Kopf gestellt. Unternehmen müssen in einem Rechtsstreit ein legitimes Schutzinteresse nachweisen, definiert nach objektiven Kriterien. Das fällt durch die Richtlinie weg. VW könnte z.B. den Abgasskandal zum „Geschäftsgeheimnis“ erklären.
Im Europaparlament hat die Konzernlobby gesiegt. Selbst die zuständige Berichterstatterin des EU-Parlaments musste Zweifel gegenüber der Darstellung der EU-Kommission einräumen. „Ich bin keine Richterin“, antwortete sie auf die Frage eines BBC-Reporters, ob durch die Richtlinie Journalisten und ihre Informanten geschützt seien. Am 17.Mai stimmen die EU-Regierungen ab, dann wird die Richtlinie noch von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt.