„Die Ausgliederung und Übertragung von Betrieben und Betriebsteilen ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für Personalverantwortliche und Unternehmensjuristen. Soll überhaupt ein Betriebsübergang stattfinden, oder soll er gerade verhindert werden? Wie kann man die Optionen strategisch nutzen, um tarifliche und betriebsverfassungsrechtliche Strukturen und Arbeitsbedingungen zu optimieren? [..] Welche Mitarbeiter sollen übergehen und welche gerade nicht?“ Thomas Winzer, Anwaltskanzlei Gleiss-Lutz
(gk) Rechtsanwalt Thomas Winzer ist bei der Frankfurter Anwaltskanzlei Gleiss-Lutz Experte für die „Strukturierung von Outsourcing-Projekten“. Derzeit betreut er ein solches Projekt für Union Investment, eine der größeren Investmentgesellschaften in Deutschland. Sie vertreibt ihre Fonds unter anderem über die Filialen der Volks- und Raiffeisenbanken. Innerhalb der Union Investment soll wieder einmal umstrukturiert werden: Circa 20 Mitarbeiter der Union Investment Technology, also der IT-Abteilung des Unternehmens, sollen an einen externen Dienstleister übergehen. Für die Mitarbeiter, von denen sich einige an Work-Watch gewandt haben, bringt diese „Optimierung“ keine Vorteile – im Gegenteil. Sie sind verunsichert und bangen um ihre Zukunft.
Als die Beschäftigten von Union IT Services (UIT) im August 2015 von der Geschäftsführung darüber informiert wurden, dass im Zuge der Kostenkonsolidierung die Funktionen Software-Entwicklung, technische Konzeption sowie Testing an einen externen Anbieter übergehen und deshalb auch einige Arbeitsplätze dorthin verlagert werden sollten, rieben sich viele Mitarbeiter verwundert die Augen: Die „Rahmenbedingungen“ des T-System-Angebots seien für die übergehenden Mitarbeiter „vielversprechend“, hieß es in dem Schreiben, allerdings würden „die konkreten Ergebnisse erst in den nächsten Tagen und Wochen final vereinbart“.
Wochen später erfuhren die Mitarbeiter, dass es sich bei dem externen Anbieter nicht um die T-Systems, sondern um T-Systems Client Services GmbH (TSCS) handelt. Ein Unternehmen, das erst im Mai 2015 als 100-prozentige Tochter von T-Systems gegründet worden war. Mit TSCS sollten zwei Dutzend der insgesamt 200 UIT-Mitarbeiter einen neuen Arbeitsvertrag abschließen. Unter ihnen zwei Betriebsräte sowie Mitarbeiter kurz vor oder in Altersteilzeit. Einer der Mitarbeiter war noch im 2015 ausgegebenen Geschäftsbericht unter dem Projekt ‘Erfolg ist menschlich’ abgelichtet, das die besonderen Leistungen einzelner Mitarbeiter hervorheben sollte.
Bei einer Unterschrift unter einen neuen Arbeitsvertrag würden die UIT-Mitarbeiter ein Risiko eingehen: Unterschreibt man einen neuen Arbeitsvertrag, verliert man den gesamten Schutz des §613a BGB, also etwa die Betriebszugehörigkeitszeiten, die z.B. wichtig für die Lohnhöhe und den Kündigungsschutz sind.
Die Fragen der betroffenen UIT-Mitarbeiter häuften sich: Wie steht es mit der Tarifbindung? Werden die Jahre der Betriebszugehörigkeit angerechnet? Welche anderen Kunden hat der Dienstleiter TSCS sonst noch? Was passiert bei einer Insolvenz des Unternehmens? Denn geht ein neu gegründetes Unternehmen innerhalb von vier Jahren in die Insolvenz, kann ein Sozialplan rechtlich nicht erzwungen werden.
Die Muttergesellschaft von TSCS, T-Systems International GmbH, hat zwar einen Haustarifvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen, aber für TSCS gilt kein Tarifvertrag, es gibt weder einen Betriebsrat noch eine Betriebsvereinbarung.
Die UIT-Geschäftsführung bestätigte den Mitarbeitern, dass sie keinen Schutz nach §613 BGB genießen und per individuellen Vertrag zu TSCS wechseln müssten. Die Muttergesellschaft T-Systems International, mit der Union Investment schon Verträge abgeschlossen hatte und aktuell einen zu einem dreistelligen Millionenbetrag abgeschlossen hat, sei keine Wechseloption, da sich das Unternehmen gerade in einem „Umbauprozess befindet“, deshalb müssten die Mitarbeiter zu TSCS wechseln. Allerdings habe man „einige Verpflichtungen verabredet und vertraglich fixiert“, darunter eine Anerkennung der Betriebszugehörigkeitszeiten, Probezeitverzicht und eine dreijährige Beschäftigungsgarantie. Im Falle einer Insolvenz würden die Mitarbeiter von der T-Systems International GmbH übernommen. Zu welchen Konditionen dann dieser erneute Übergang stattfinden würde, steht nicht in dem Rundschreiben.
Vielen Mitarbeitern reichte das nicht – trotz Wechselprämie, die UIT auf Nachfrage anbietet. Damit Einstellungsgespräche zur Ermittlung der „Human Ressources“ stattfinden könnten, sollten die Mitarbeiter sich einverstanden erklären, dass UIT ihre personenbezogenen Daten an den Dienstleister TSCS weitergeben kann. „Es gab einen enormen Druck, diese Einverständniserklärung zu bekommen“. In der Erklärung war allerdings nicht eindeutig zu erkennen, welche Daten zwischen welchen Unternehmen ausgetauscht werden sollen. Noch nicht einmal ein Firmenlogo war aufgedruckt.
Einige Beschäftigte weigerten sich daraufhin, ihre personenbezogenen Daten an einen Betrieb weiterzugeben, dessen Standort und Arbeitsprofil noch nicht endgültig geklärt seien. Dennoch wurden die Namen aller betroffenen Mitarbeiter in einem Email-Verteiler an T-System weitergegeben, auch derer, die die Unterschrift verweigert hatten. Die Auswahl der Mitarbeiter, so der Eindruck der Betroffenen, sei völlig willkürlich erfolgt. Der Anfang vom Ende, so die Befürchtung: Perspektivisch, meinen einige Mitarbeiter gegenüber work-watch, solle „UIT komplett bzw. zu einem großen Teil aufgelöst werden“.
Die „Verweigerer“ landeten Anfang Dezember 2015 schließlich auf einer „schwarzen Liste“, wurden befristet bis Ende 2015 freigestellt. Anfang Januar 2016 waren alle Betroffenen wieder an Ihren Arbeitsplätzen, wurden dann aber gemeinsam mit den übrigen betroffenen Mitarbeitern, die den Vertrag mit TSCS nun nicht unterschrieben hatten, Ende Januar 2016 unbefristet freigestellt. Ihre Laptops und I-Phones wurden sofort nach Bekanntgabe der Freistellung gesperrt. Sie erhielten Hausverbot: „Wir wurden behandelt wie Schwerkriminelle“.
Seit Ende Januar 2016 dürfen die Mitarbeiter nicht mehr in ihre Büros, in denen sie zuvor viele Jahre tätig waren und für Union Investment Software entwickelt und getestet haben. Die Konten wurden mit einem Hinweis ‘Sicherheitsvorfall’ gesperrt. Dieser Hinweis wurde mit der Sperrungsbeauftragung auch an einen externen Dienstleister gesandt. Dabei hatte sich keiner der Mitarbeiter etwas zuschulden kommen lassen.
Für Termine mit Betriebsrat oder Personalabteilung müssen die Mitarbeiter nun mit Besucherausweis an der Pforte abgeholt werden, dürfen sich im Gebäude nicht mehr frei bewegen, obwohl sie offiziell noch Mitarbeiter sind – wenn auch seit mehreren Monaten freigestellt. Der Zugang zu internen Informationen, sowie der subventionierten Kantine ist versperrt. Der Bonus für 2015 wurde keinem der nun noch freigestellten Mitarbeiter ausbezahlt. Einige Mitarbeiter konnten sich zwischenzeitlich auf Abfindungsverträge einigen. Eine Mitarbeiterin wurde nach Nichteinigung zu einem Auflösungsvertrag nach Direktionsrecht wieder in den Betrieb geholt und dem Geschäftsführer zu Sonderaufgaben unterstellt. Das nun schon mehrere Wochen.
Eingeladen wurden die betroffenen Mitarbeiter nur noch zu Gesprächen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit sie nicht einen eigenen Rechtsanwalt beauftragt hatten – in Anwesenheit von Rechtsanwalt Thomas Winzer. Es wurde mit viel Druck gearbeitet. Sollten die Mitarbeiter die angebotene Konditionen nicht akzeptieren, so könnten sie ja in der Poststelle arbeiten, oder würden nach Hamburg versetzt werden. Auch die Informationen einiger Kollegen, die zu TSCS gewechselt sind, klingen nicht ermutigend: „Wir sitzen herum und haben nichts zu tun“. In der UIT gab es mittlerweile Versetzungen von verbliebenen Mitarbeitern – mit Zustimmung des Betriebsrats – zum Beispiel in eine Gruppe, aus der 4 Mitarbeiter auf der schwarzen Liste stehen. Es gibt Stellenausschreibungen, die auf das Profil freigestellter Mitarbeiter passen, denen aber keine dieser Stellen angeboten werden.
Auf Fragen von work watch beteuerte Union Investment, die 2015 zum dritten Mal in Folge das beste Geschäftsjahr ihrer Unternehmensgeschichte hatten: „Wir gehen gemeinsam mit der T-Systems Client Services GmbH davon aus, dass dieser Wechsel für die betroffenen Mitarbeiter eine interessante berufliche Perspektive bietet“.