Ohne die Firma Gargiulo GmbH in Ofterdingen und Nehren auf der schwäbischen Alb, nicht weit von Reutlingen entfernt, würde so manches Fenster nicht schließen. Denn Gargiulo macht Fensterprofile und stellt Werkzeuge her, damit auch andere Unternehmen solche Profile produzieren können. Außerdem wird bei Gargiulo Recycling-Material aufbereitet, Gartenmöbel und -zäune hergestellt und einiges mehr. Ein paar hundert Beschäftigte legen sich für die Eigentümerfamilie ordentlich ins Zeug: Das Unternehmen expandiert, schicke Firmenfahrzeuge auch für das mittlere Management gehören zur Firmenphilosophie. Man bindet gerne, wen man halten will.
Leider gehört zur Firmenphilosophie wohl auch ein hin und wieder außerordentlich ruppiger Umgang mit selbstbewussten Beschäftigten. Vor Jahren hatten sich einige von ihnen mithilfe der IG Metall geeinigt, eine Betriebsratswahl durchzuführen. Die Unternehmensleitung bekam Wind von dieser Idee und schickte zur Wahl, die nicht mehr verhindert werden konnte, zahlreiche eigene Leute ins Rennen. Die erhielten dank aktiver Wahlunterstützung durch das Management die Mehrheit. Solche Einmischung ist zwar nach dem Betriebsverfassungsgesetz verboten – aber „wo kein Kläger, da kein Richter“, wie der Volksmund sagt.
Heute gibt es keinen Betriebsrat mehr. Denn die aktiven Gewerkschafter haben einer nach dem anderen das Handtuch geworfen, weil der Gegendruck zu stark war. Und da hat der Rest des Gremiums den ganzen Laden einfach zugemacht. Warum Betriebsrat? Es gibt ja Carmen Gargiulo. Sie „hat es sich zur persönlichen Herzensangelegenheit gemacht, die Mitarbeitermotivation zu steigern und die Arbeitsplätze so zu gestalten, dass alle gerne zur Arbeit kommen und sich wohl fühlen“ (so verspricht es das Unternehmen in seinem Internetauftritt).
Vielleicht weil das bei Gargiulo so läuft und weil ein kämpferischer Betriebsrat fehlt, haben es Mitarbeiter sehr schwer, in individuellen Konflikten mit der Unternehmensleitung standzuhalten. Erzählen wir von einem Kollegen, der gerade bei Gargiulo zermahlen wird – es könnte aber auch ein anderer sein.
Anfang diesen Jahres wurde der Kollege gekündigt, er reichte Kündigungsschutzklage ein. Zum Prozesstermin erschien vom Unternehmen niemand, nicht einmal Carmen Gargiulo. Das Gericht machte deutlich, dass es die Kündigung nicht akzeptieren werde, woraufhin das Unternehmen die Kündigung zwei Wochen später zurückzog. Der Kollege durfte also weiterarbeiten. Aber man versetzte ihn, genauer: man degradierte ihn und weigerte sich außerdem, ihm seinen Lohn weiter zu zahlen, als er krank wurde. Stattdessen haute man ihm zwei Abmahnungen um die Ohren. So etwas kann berechtigt sein – im vorliegenden Falle bekommt man den Eindruck, die Abmahnungen seien schlichte Einschüchterungsversuche. Zusätzlich, so der Mitarbeiter, gab es für ihn noch jede Menge üble Nachrede und Demütigungen.
Als wir von dem Fall erfuhren, schrieben wir einen Brief an die Eigentümerfamilie und baten um Aufklärung: ob der Mitarbeiter tatsächlich grundlos gekündigt worden sei, wie uns zu Ohren gekommen war. Warum er mit Hilfsarbeiten beschäftigt werde statt an seinem bisherigen qualifizierten Arbeitsplatz. Und warum ihm die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vorenthalten werde.
14 Tage später erhielten wir einen Brief vom „Leiter strategischer Einkauf“, in dem er auf keine unserer Fragen einging. Wir baten erneut um Antwort und wurden „höflich, aber mit Nachdruck“ gebeten, „von weiteren Kontaktaufnahmen mit unserem Haus abzusehen, sei es persönlich, telefonisch, per E-Mail oder postalisch.“ Wir taten es trotzdem, ein drittes Mal. Aber hörten und lasen nichts mehr vom Unternehmen.
Work-watch ist nun kein Verein, der über eine solche Antwort beleidigt wäre. Wir vermuten eher, dass jemand, der uns so bissig von seinem Gelände fernzuhalten versucht, etwas zu verbergen hat. Einen ähnlichen Eindruck hatte womöglich das Arbeitsgericht Reutlingen. Denn als der Anwalt des Kollegen auf vertragsgemäße Beschäftigung klagte, erschien auch zu diesem Gerichtstermin kein Vertreter der Geschäftsleitung. Seitdem produziert der Anwalt des Unternehmens zwar eifrig Schriftsätze, aber zu einer Einigung ist es bislang nicht gekommen. Seit fast einem Jahr also wird der Kollege nach eigenem Empfinden nicht korrekt beschäftigt, läuft vorenthaltenen Lohnzahlungen hinterher und wird obendrein noch durch böse Gerüchte und Unterstellungen drangsaliert.
Wir hören derweil von der Belegschaft Folgendes – das Unternehmen dürfen wir ja zu seiner Meinung leider nicht mehr befragen: Bei Gargiulo sind 12-Stundenschichten nicht selten, es werden äußerst kurzfristige Schichtwechsel angeordnet, Überstunden werden nur bezahlt, wenn ein vom Vorgesetzten unterschriebener Überstundenzettel vorliegt (was nicht immer klappt) und die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen können nicht immer eingehalten werden.
Es wäre wirklich besser, wenn es bei Gargiulo einen Betriebsrat gäbe. Einen echten, keinen hausgebackenen. Nicht nur für den Kollegen, sondern für viele andere in diesem Unternehmen auch.
Das Gerichtsverfahren des Kollegen ist übrigens durch mehrfache Terminverlegung auf Antrag des Unternehmens bzw. seines Anwalts mittlerweile auf Anfang März 2018 verschoben worden. Keine ganz unbekannte Methode, jemanden auszuhungern.