(gk) Lamy ist ein Traditionsunternehmen aus Heidelberg und Marktführer für Schreibgeräte in Deutschland. Kaum eine Schülerin und Schüler, die nicht mit den Tintenfüllern von Lamy groß geworden sind. Auch aus den Büros und Verwaltungsetagen sind die Produkte von Lamy nicht wegzudenken und finden sich auf vielen privaten Schreibtischen. “Früher war das ein sehr sozialpartnerschaftliches Unternehmen mit sehr guten Arbeitsbedingungen”, so Türker Baloglu von der IG Metall in Heidelberg. Aber die Zeiten für die 350 Mitarbeiter haben sich geändert, so der Gewerkschaftssekretär. Die Gewerkschaft liegt mit der neuen Geschäftsführung über Kreuz, bei der vergangenen Betriebsratswahl sei es zu mehreren Verstößen nach dem Betriebsverfassungsgesetz gekommen. Über die Anfechtung der Wahl wird am 25.September vor dem Arbeitsgericht in Heidelberg entschieden.
Für ihren Entschluss führt die IG Metall Heidelberg verschiedene Gründe an. Die Liste der Mängel beginnt mit der Größe des Betriebsratsgremiums, die der Wahlvorstand falsch berechnet hat. Statt der eigentlich vorgesehenen 11 Mitglieder durften die Beschäftigten nur ein Gremium mit 9 Mitgliedern wählen.
Eine der drei Listen, die bei Lamy zur Wahl antraten, habe die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt. Der Liste fehle die ausreichende Anzahl von Unterstützerunterschriften. Der Wahlvorstand hätte diese Liste nicht zur Wahl zulassen dürfen.
Außerdem sei die Liste der Wahlberechtigten fehlerhaft. Beschäftigte, die nicht wahlberechtigt waren, hätten trotzdem an der Wahl teilnehmen können. Zudem sei es bei der Auszählung zu Unregelmäßigkeiten gekommen – der Wahlvorstand habe eigentlich gültige Stimmen als ungültig gewertet.
Besonders auffallend habe sich der Vertreter der Geschäftsführung, Peter Utsch, während des Wahlkampfs verhalten. Unter anderem habe er Bewerbern einer Liste besondere Vorteile gegenüber den anderen kandidierenden Listen gewährt. Sie durften zum Beispiel Dienstgeräte, z.B. firmeneigene Drucker, während der Arbeitszeit für ihren Wahlkampf nutzen.
Die Kandidaten der Liste IG Metall hingegen seien in ihren Wahlkampfaktivitäten gehindert worden. Damit habe die Firma Lamy in den Wahlkampf eingegriffen und ihre Neutralitätspflicht verletzt.
Der Geschäftsführer stritt gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung die Vorwürfe ab, “alles sei mit rechten Dingen zugegangen”.
Vor wenigen Tagen wurde nun dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden gekündigt, der seit 25 Jahren für Lamy arbeitet und nun als Kandidat einer der benachteiligten Listen in den aktuellen Betriebsrat eingezogen war. Die Gründe seien “fadenscheinig”, schreibt die IG Metall in Heidelberg, “erst wird in die Betriebsratswahl eingegriffen, dann wird der ehemalige Betriebsratsvorsitzende gemobbt, dann die Kündigung ausgesprochen. Diese Vorgänge stellen einen ungeheuerlicher Angriff auf die gesetzlichen und gewerkschaftlichen Rechte der Beschäftigten im Betrieb dar.” Die IG Metall Heidelberg will die Kündigung nicht akzeptieren, eine einstweilige Verfügung gegen die fristlose Kündigung, der die Betriebsratsmehrheit zugestimmt hatte, ist eingereicht. Laut Lamy Geschäftsführung, so die Rhein-Neckar-Zeitung, sei die Kündigung aus nicht näher genannten “wichtigen Gründen” gerechtfertigt.
“Mit einer Jahresproduktion von über 8 Millionen Schreibgeräten und einem Umsatz von über 110 Millionen Euro in 2016 ist Lamy heute nicht nur Marktführer in Deutschland, sondern hat sich zu einer international begehrten Marke entwickelt”, heißt es auf der Lamy-Internetseite. Der Umsatz wurde auf dem Rücken der Beschäftigten erzielt – die hatten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sogar auf Entgelt verzichtet, um das Unternehmen zu unterstützen. Die Schwächung der Mitarbeitergremien könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist.