13. August 2018

Wentronic: BR-Wahlen undemokratisch?

 

(gk) “Zukunftgeber”, so darf sich das Braunschweiger Elektronikunternehmen Wentronic seit diesem Sommer nennen. Wentronic beschäftigt in seinem Braunschweiger Hauptsitz 200 MitarbeiterInnen, vertreibt vor allem Zubehör für Unterhaltungselektronik – u.a. Antennen, Adapter und Kabel jeder Art, und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 58 Millionen Euro.

 

Der “Zukunftgeber” ist ein regionales Qualitätssiegel des Arbeitgeberverbandes Region Braunschweig. Ausgezeichnet werden kleine und mittelständische Betriebe mit besonders “attraktiven Arbeitsbedingungen”, heißt es auf der Homepage. 

 

Ein Betriebsrat gehört offensichtlich beim Familienunternehmen Wentronic nicht zum Profil eines “attraktiven Arbeitgebers”. Erstmals seit dem 25 jährigen Bestehen gab es den Versuch, eine Betriebsratswahl zu initiieren. Drei Beschäftigte schrieben im Frühjahr die Geschäftsleitung an, die beiden Brüder Marcus und Michael Wendt, und luden zur Wahlversammlung fünf Wochen später ein. Die Zeit wurde von der Geschäftsführung genutzt, um auf eigens einberufenen Mitarbeiterversammlungen gegen den geplanten Betriebsrat mobil zu machen. Die Gründung eines Betriebsrates, so drohte dort einer der Brüder, komme einer “Enteignung” des Unternehmens gleich.

 

Die Einschüchterung wirkte offensichtlich: Bei der Wahlversammlung gaben dann über die Hälfte der anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leere Wahlzettel ab. Für den Geschäftsführer Michael Wendt ein klares Zeichen dafür, dass die Mehrheit der Belegschaft keinen Betriebsrat wünsche.  Das sieht Kornelia Jung, die zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin, anders. Seit mehr als zehn Jahren sei sie nun zuständig für den Bereich Handel in Braunschweig, aber “so eine massive Blockadehaltung gegenüber einem Betriebsrat habe ich noch nie erlebt”, betriebsratsfreundliche Mitarbeiter würden regelrecht schikaniert. Ein ehemaliger Wentronic-Mitarbeiter beschrieb gegenüber dem regionalen Onlineportal news38.de, dass unbotmäßige Angestellte “zum Chef gerufen und dann auf ihr Alter angesprochen werden. Ob sie glauben, dass sie in ihrem Alter noch was anderes finden”. Im gleichen Beitrag bestreitet Michael Wendt, jemals Druck auf Mitarbeiter ausgeübt zu haben. Stattdessen “sind viele Mitarbeiter zu mir gekommen und haben gesagt, dass hier einige wenige ihr eigenes Ding durchziehen wollen”, so der Geschäftsführer.

 

Nach einem gescheiterten Gütetermin soll nun am 21.August um 10 Uhr das Arbeitsgericht in Braunschweig den Wahlvorstand einsetzen.  Allerdings hat einer der drei Briefeschreiber mittlerweile aufgegeben und gekündigt. Doch ein Nachrücker ist nach Angaben der Gewerkschaftssekretärin bereits gefunden und zusammen wollen sie das Recht auf einen Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht durchsetzen. Auf Unterstützung durch ihre Kolleginnen und Kollegen vor Gericht können sie dabei jedoch nicht zählen. “Die Belegschaft ist tief verunsichert, niemand traut sich aus der Deckung”, beschreibt Kornelia Jung gegenüber work-watch die derzeitige Atmosphäre im Betrieb. Sie habe einen anonymen Brief von mehreren Wentronic-Mitarbeitern erhalten, der die Einschüchterungen im Vorfeld der Wahlversammlung bestätige und im Namen der Mehrheit der Belegschaft für die Einrichtung eines Betriebsrates plädiere. Auf ihre Einladung zu einem Treffen mit den Verfassern des Briefes “in einem geschützten Raum” gebe es bisher leider noch keine Reaktion.

 

Der Geschäftsführer will neue Standards setzen. Er hat bereits angekündigt, vor die nächste Instanz, notfalls sogar vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Es sei ein “Fehler im System”, wenn trotz des gegenteiligen Votums aus der Belegschaft gerichtlich ein Betriebsrat “durchgeboxt” werden solle, nur weil es das Betriebsverfassungsgesetz so vorsehe.  Deshalb sei es Zeit für Veränderung – und die könne von Braunschweig ausgehen, sagte Michael Wendt news 38.de. Zulassen will Wendt hingegen ein rechtlich nicht weiter fixiertes “Mitarbeiter-Gremium”, dass dann z.B. über Anliegen wie die Weihnachtsfeier beraten könne, zitiert die Braunschweiger Zeitung den Geschäftsführer.