“Wenn du noch mal in unsere Filiale kommst, gibt es was vor´s Kinn”, heißt es in einem Brief ohne Unterschrift an Uli K., Vorsitzender des Betriebsrates in Bad Laaspe, einer von 35 regionalen Gesellschaften, über die Aldi Nord seine Filialen betreibt.
Auch andere Betriebsräte haben mit solchen Anfeindungen zu kämpfen, berichtet die Gewerkschaft verdi, weil sie sich gegen die Ausweitung der wöchentlichen Arbeitszeit von von 37,5 auf 40 Stunden und des Arbeitszeitrahmens wehren. Einige Geschäftsführer hätten sogar offen damit gedroht, das jeweilige Zentrallagerzu schließen, wenn die Betriebsräte nicht auf Kurs einschwenken. Betroffen wären Fuhrpark und Verwaltung. Auch Filialen würden an benachbarte Aldi-Gesellschaften übertragen. verdi spricht von einem Spiel mit der Angst der Beschäftigten.
Die betrieblicher Interessenvertretungen sind in die Schusslinie der Bosse geraten, weil sie von neuen, schlechteren Arbeitsverträgen abraten. Doch Aldi Nord will die Beschäftigten unbedingt zu diesen drängen. Wenn die Mehrheit unterschrieben hat, wird eine elektronische Zeiterfassung eingeführt, lockt der Arbeitgeber. Aber nur dann. Doch auch das neue System ermöglicht Minuten- und Pausenklau. “Der Betrug mit Zettel und Bleistift kann digitalisiert werden”, sagt Birkhahn, bekannter Kritiker von Aldi und jahrelang bei dem Discounter beschäftigt. Eine veränderte Prämien- und Überstundenregelung steht ebenfalls auf dem Plan der Geschäftsleitung. Die Betriebsräte sollen eine Betriebsvereinbarung über ein “Neues Arbeitszeit- und Vergütungsmodell” mit zehnjähriger Dauer akzeptieren. Kündigt z.B. der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung, könnten alle “freiwilligen Zulagen” sofort wegfallen.
Aktuell sind es noch fünf Betriebsräte, “die sich nicht erpressen lassen”, wie sie sagen. Aldi hingegen will ihren pauschalen Verzicht auf Mitbestimmung bei Mehrarbeit. Innerhalb eines Zeitrahmens von 4 Uhr früh bis 23 Uhr sollen superflexible Einsätze möglich werden. Entscheidend in den neuen Arbeitsverträgen ist die Passage, der Verweis auf die Tarifverträge gelte “nur solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist”.
In den meisten Regionalgesellschaften ist die Sache durch, weil die Schließungsdrohungen wirkten oder weil Betriebsratsmehrheiten aus dem Kreis der extrem arbeitgeberfreundlichen “AUB”, einer Pseudogewerkschaft, die Vereinbarungen durchgewunken haben.
Seit vielen Jahren betreut die berüchtigte Essener Arbeitgeberkanzlei SCHMIDT, VON DER OSTEN & HUBER die Aldi-Zentrale in Essen, wo alle Fäden zusammenlaufen. Dort landete bereits im Dezember 2005 ein von Huber gezeichneter Plan gegen Betriebsräte, der offenbar bis heute wirkt. Die “Aufklärungskampagne gegen den BR” sieht “heftige Diskussionen”, sprich Pöbeleien von Filialleitern gegen den Betriebsrat, das Schüren von Ängsten um Einkommen und Jobs, Rundschreiben, Unterschriftenaktionen sowie Wahlunterstützung für die “AUB” vor.
Damals ging es gezielt gegen den Schwelmer Betriebsrat, der heute – ebenso wie die Betriebsräte in Bad Laasphe, Horst, Rinteln und Werl – erneut im Fadenkreuz steht und Widerstand zeigt.
Im Juni folgten über 40 Beschäftigte der Aldi-Filiale in Bad Laasphe den Aufruf von der Gewerkschaft verdi zu einem Warnstreik, um der Forderung von 6,5 Prozent mehr Geld – mindestens aber 163 Euro und 100 Euro mehr für die Auszubildenden – Nachdruck zu verleihen.