(gk) Jeden Morgen früh raus, bei Wind und Wetter. Die Wege sind weit, besonders auf dem Land. Das war das täglich Brot der etwa 170 Beschäftigten der Presse-Vertriebs GmbH (PVG) Ludwigshafen Land, die in sechzig Zustellbezirken u.a. die Tageszeitung „Rheinpfalz“ austrugen.
Die PVG im Südwesten der Republik hatte ein Alleinstellungsmerkmal: Sie verfügte über einen Betriebsrat, der unter anderem darauf achtete, dass der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro auch tatsächlich gezahlt wurde. Immerhin hatten die Zeitungsverleger bei der Einführung des Mindestlohns 2015 über die vermeintlich unerträgliche finanzielle Belastung geklagt und der Regierung eine gesetzliche Übergangsfrist abgerungen: Zusteller erhalten den Mindestlohn erst seit dem 1.1.2018.
Nun hat die Muttergesellschaft in Ludwigshafen der PVG ab dem 1.11.2019 sämtliche Zustellaufträge gekündigt. Damit ist auch der Betriebsrat Geschichte, der „dem Arbeitgeber anscheindend überhaupt nicht gepasst hat“, so Sigurd Holler, der zuständige Sekretär der Gewerkschaft ver.di.
Zusteller, von denen einige vierzig Jahre für die PVG gearbeitet haben, erhalten nach der Auflösung der PVG nicht einmal eine Abfindung. Manche sind aus Sorge um ihre Arbeitsstelle der Aufforderung des alten Arbeitgebers gefolgt, sich doch bei einer neuen Vertriebs-GmbH mit Sitz in Schifferstadt zu bewerben. Dabei handele es sich um eine „eiligst neu gegründete Gesellschaft innerhalb des Konzerns“, so Sigurd Holler. Dort gibt es keinen Betriebsrat.
„Sie sind körperlich fit, gerne draußen an der frischen Luft und möchten sich etwas dazuverdienen? Dann sind Sie bei uns richtig!“ oder “Helden gesucht….Jetzt Zusteller werden!” werben die neuen PVG Ende November um Zusteller für das gesamte Verbreitungsgebiet.
Herausgegeben wird die Rheinpfalz von der Medien Union GmbH mit Sitz in Ludwigshafen, einem laut Manager-Magazin „verschachtelten Verlagskonglomerat“, das u.a. auch an der Süddeutschen Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten beteiligt ist. Hauptgesellschafter des Konglomerats ist einer der 100 reichsten Männer Deutschlands, Dieter Schaub. Sein Vermögen wird auf 1,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Sigurd Holler will diese „traurige Machtdemonstration der Konzerne“ nicht auf sich beruhen lassen. Verdi hat Flugblätter an die Zeitungsabonnenten verteilt und sie aufgefordert, sich bei der Rheinpfalz Verlag und Druckerei GmbH und der Medien Union über den Umgang mit ihren Zusteller*innen zu beschweren. Außerdem hat die SPD-Bundestagsabgeordnete Doris Barnett – ihr Wahlkreis ist Ludwigshafen – angekündigt, sich für die Belange der Beschäftigten ein- und der Verlegerwillkür Grenzen zu setzen.
Bisher waschen die Verantwortlichen ihre Hände in Unschuld: „Wir haben aktuell keine Hinweise darauf, dass irgendwelche Rechte von Arbeitnehmern der Presse Vertriebs-GmbH Ludwigshafen-Land verletzt worden sind, seien sie allgemein arbeitsrechtlicher oder aber betriebsverfassungsrechtlicher Art“ schrieb Holger Martens, Geschäftsführer der Rheinpfalz Verlag und Druckerei GmbH, auf eine Anfrage von work watch. Die Medien Union behauptet gar, sie „sei der falsche Ansprechpartner“.