(gk) Drei engagierte Mitarbeiterinnen, drei fristlose Kündigungen: So geht die Geschäftsführung des Autoverleihers Sixt mit Beschäftigten um, die einen Betriebsrat gründen wollen. Das ist der vorläufige Höhepunkt eines Konflikts am Düsseldorfer Flughafen (Work Watch berichtete) – und eine Methode, die offensichtlich auch in anderen Filialen des Autoverleihers Schule zu machen scheint.
An einem Freitag Ende August hatten die drei Frauen Einladungen zu einer Betriebsversammlung am 21.September ausgehängt. Dort sollte ein Wahlvorstand gewählt werden, um die Betriebsratswahl einzuleiten. Sie staunten nicht schlecht, als direkt Montags zwei Angestellte der Geschäftsführung aus dem bayerischen Pullach angereist waren und sie zu ihren Beweggründen befragten, einen Betriebsrat gründen zu wollen.
Eine Woche später tauchten die beiden erneut auf. Nun wurden die Frauen einzeln in das Betriebsleiterbüro am Düsseldorfer Flughafen zitiert: Der Hauptinitiatorin, eine langjährige Sixt-Mitarbeiterin, händigten die Vertreter der Geschäftsführung die fristlose Kündigung aus.Die beiden anderen Mitstreiterinnen erhielten einen Aufhebungsvertrag, den sie unterschreiben sollten, mit einer Abfindungssumme von 10.000 Euro, obwohl sie erst weniger als drei Jahre bei Sixt beschäftigt waren. „Das ist ein erstaunlich hohe Summe“, so verdi-Sekretär Özay Tarim gegenüber work watch, „normalerweise gibt es pro Jahr ein halbes monatliches Bruttogehalt, in diesem Fall wären es nur wenige Tausend Euro gewesen“. In diesem Aufhebungsvertrag sollten sich die beiden Mitarbeiterinnen außerdem verpflichten, „negative Äußerungen über den Arbeitgeber“ in sämtlichen Medien zu unterlassen.
Beide lehnten das Schweigegeld ab, verweigerten die Unterschrift und kehrten, auch aufgrund des öffentlichen Drucks, in den Betrieb zurück. An ihrem Plan, einen Betriebsrat zu gründen, hielten sie fest, ebenso am Termin der dafür notwendigen Betriebsversammlung zur Gründung eines Wahlvorstandes am 21.September.
Özay Tarim, der die drei Sixt-Mitarbeiterinnen in ihrem Anliegen engmaschig unterstützt hat, berichtet von einer seltsamen Atmosphäre im Betrieb gegenüber den beiden Kolleginnen: Keine der zwanzig anderen Mitarbeiter*innen habe mit ihnen über die anstehende Betriebsratwahl gesprochen, niemand sich für die Versammlung am 21.September angemeldet. Sie mieteten trotzdem über den Anbieter „DUSConference plus“ einen Raum im Flughafenterminal an.
Am 21.September wurden Özay Tarim und die drei engagierten Mitarbeiterinnen – wegen der Kündigungsschutzklage war auch die zuvor fristlos gekündigte Hauptinitiatorin berechtigt an der Versammlung teilzunehmen – von einem Pulk beinahe aller Kolleginnen einschließlich des Betriebsleiters überrascht. „Wir standen völlig isoliert da, alle scharten sich um den Betriebsleiter“, so Özay Tarim. Kaum waren alle Anwesenden im im Raum und die ersten Begrüßungsworte gesprochen, erschien eine Mitarbeiterin von DUSConference plus und forderte auf, die Versammlung abzubrechen, wegen Corona sei der Raum für so viele Teilnehmer*innen zu klein. Der Betriebsleiter bot ihnen dann noch an, in ihrem Namen einen großen Saal, den einzig noch freien Raum im außerhalb gelegenen Maritim Hotel, anzumieten: Kosten mehr als 6000 Euro. Die drei Kolleginnen lehnten ab, weil ein spontaner Raumwechsel für eine solch wichtige Versammlung möglicherweise anfechtbar sei, auch weil Nachzügler den Raum nicht in angemessener Zeit finden könnten. Wenn sie den Raum im Vorfeld für etwas mehr zwanzig Personen angemietet hätten, hätten sie sich dem Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit aussetzen müssen.
Kurzum: die Betriebsversammlung konnte nicht stattfinden, die drei Kolleginnen beantragten deshalb beim Arbeitsgericht einen Wahlvorstand einzusetzen. Die Geschäftsführung verweigerte zunächst die 180 Euro Raummiete zu bezahlen, die Versammlung habe nicht stattgefunden, die Mitarbeiterinnen sollten selber für die Kosten aufkommen, erzählt Özay Tarim. Stattdessen erhielten die Initiatorinnen Ende Oktober eine Anhörung und Aufforderung zur Stellungnahme: Ihnen wurde unterstellt, sie hätten bewußt einen zu kleinen Raum angemietet, weil sie gar keine Versammlung hätten durchführen wollen. Das sei möglicherweise „Grund für eine [..] Kündigung“. Die Kolleginnen reagierten fristgerecht vor dem 1.November und wiesen den Vorwurf schriftlich zurück. Zwei Tage später erhielten sie alle die außerordentliche Kündigung, unterschrieben von der Personalchefin Reichenberger aus der Firmenzentrale in Pullach. Sie war vor der Kündigung mehrere Tage in der Düsseldorfer Filiale zu Besuch gewesen.
Gegenüber der Rheinischen Post behauptet eine Sprecherin des Autoverleihers sogar, den drei Mitarbeiterinnen ginge es „gar nicht um die Gründung eines Betriebsrates“. Sie wollten das Unternehmen ohnehin „verlassen und versuchen, mit unlauteren Mitteln im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung möglichst hohe Abfindungen zu erhalten, die ihnen nicht zustehen“.
„Warum haben dann zwei der Kolleginnen die 10.000 Euro Abfindung lange vor dem 21.September abgelehnt“, kommentiert Gewerkschaftssekretär Özay Tarim. Die Kolleginnen akzeptieren ihre Kündigung nicht, haben Klage eingelegt und wollen weiter einen Betriebsrat bei Sixt in Düsseldorf gründen, so Tarim.
Zwei Tage nach der Kündigung flatterte ein weiteres Schreiben bei den Kolleginnen ins Haus – von der Anwaltskanzlei Pusch Wahlig Workplace Law. Darin werden sie u.a. wegen Verdienstausfall und angefallener Raummiete am 21.September aufgefordert, 1506 Euro Schadenersatz zu zahlen. „Dieses Vorgehen folgt einer bloßen Zermürbungstaktik“, erklärt Tarim. „Pure Einschüchterung“ sei das, zumal die auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwaltkanzlei für „Unternehmen, Unternehmer und Führungskräfte“, so die Internetseite, „im ganzen Schreiben ohne einen einzigen Hinweis auf irgendeine Rechtsgrundlage dafür ausgekommen ist“.
Bossing auch bei Sixt am Frankfurter Flughafen
Auch bei Sixt am Frankfurter Flughafen wollten Beschäftigte einen Betriebsrat gründen. Auch hier war anschließend Besuch aus Pullach einige Tage in der Filiale, auch hier erhielten zwei Kolleginnen nach Veröffentlichung der Einladung zur Betriebsversammlung eine fristlose Kündigung.
Allerdings fand die Betriebsversammlung statt. Bei Beginn der Versammlung, vor den Augen aller Anwesenden, überreichte der Arbeitgeber einem dritten Wahlinitiator die nächste fristlose Kündigung. Das Ansinnen des anwesenden Betriebsleiters, die Wahl zum Wahlvorstand per Handzeichen durchzuführen, haben die Initiator*innen abgelehnt und eine schriftliche Stimmabgabe gefordert. Während der Abstimmung zum Wahlvorstand, so hat Tarim von seinem Gewerkschaftskollegen aus Frankfurt erzählt bekommen, habe der Betriebsleiter laut in den Raum gerufen, bei Abgabe eines leeren Stimmzettels gäbe es keine Wahl und keinen Betriebsrat. Tatsächlich haben fast alle einen leeren Stimmzettel abgegeben.
„Sowohl das Vorgehen in Düsseldorf als auch in Frankfurt deuten auf eine massive Einschüchterung der Mitarbeiter*innen hin“, so Tarim. „In der Pandemiekrise hat Sixt staatliche Subventionen gerne in Anspruch genommen, z.B. Kurzarbeitergeld, aber verbriefte Arbeitnehmerrechte werden mit Füßen getreten“ kritisiert der Gewerkschafter.
Tarim plant nach §119 Betriebsverfassungsgesetz Strafantrag gegen Sixt einreichen, wegen Behinderung der Betriebsratsgründung. Zusammen mit seinen Frankfurter Kolleginnen und den Sixt-Mitarbeiter*innen will Tarim weiter für Betriebsräte beim erklärten Betriebsratsgegner Sixt kämpfen. „Wenn wir in mindestens zwei Filialen einen Betriebsrat haben, können wir einen Gesamtbetriebsrat einberufen, der dann selbstständig Wahlvorstände bestellen kann“, erklärt Tarim das nächste Etappenziel im Kampf um Arbeitsrechte bei Sixt. Dann werden beim Autoverleiher andere Zeiten anbrechen und er endlich dem üblichen Standard entsprechen, denn andere große Autoverleiher haben längst einen Betriebsrat.