Eine Dienstvereinbarung gegen Mobbing und BOSSING dürfte in der Bundesrepublik ein ziemliches Novum sein. Work-Watch hat daran mitgewirkt und wir hoffen, dass sich die Beschäftigten einer großen Rehaklinik in Baden-Württemberg damit gegen eine besonders perfide Sorte von Arbeitgeberattacken besser schützen können. Das Beispiel könnte Schule machen. Deshalb stellen wir die Dienstvereinbarung hier vor. Bei der Erarbeitung ähnlicher Vereinbarungen sind wir gern behilflich.
Der Personalrat hatte die Dienstvereinbarung eingefordert und nach intensiven Diskussionen in der Einigungsstelle war auch der Dienstherr ausreichend sensibilisiert, damit sie schließlich abgeschlossen werden konnte.
Die Dienstvereinbarung ist unseres Wissens nach ein Durchbruch bei den Versuchen von Betriebsräten, übergriffiges Verhalten gegen Mitarbeiter*innen zu benennen und zurückzuweisen. Einzigartig ist wohl, dass sich die Vereinbarung explizit gegen Bossing als Methode von Vorgesetzten stellt, unliebsame Beschäftigte anzugreifen und aus ihrem Arbeitsverhältnis zu drängen.
So heißt es in der Dienstvereinbarung: „Bossing ist das gezielte mobbingmäßige Handeln von Vorgesetzten gegenüber unterstellten Beschäftigten, um diese zu einem anderen Verhalten zu zwingen und / oder aus dem Betrieb zu drängen. Das von den Vorgesetzten gewünschte veränderte Verhalten kann sich auf die Arbeit (z.B. Verhinderung von Überlastungsmeldungen), auf private (z.B. ungewollte Beziehungen) oder soziale (z.B. Gewerkschaftsengagement) Belange beziehen. Dienststelle, Personalrat und Schwerbehindertenvertretung sowie die Beauftragte für Chancengleichheit sind sich einig, dass der Schutz aller Beschäftigten vor Mobbing und Bossing am Arbeitsplatz ein wichtiges Anliegen der Fürsorgepflicht ist.“
Natürlich müssen sich solche Absichtserklärungen in künftigen Konflikten erst noch bewähren. Wenn die Beschäftigten und ihre Interessenvertretung nicht aufmerksam genug agieren, ist auch diese Dienstvereinbarung nicht das Papier wert, auf dem sie steht.
Aber weil sie sehr konkrete Festlegungen enthält, stehen die Chancen gut, dass Fälle von Mobbing und Bossing, die von den Beschäftigten betriebsintern angezeigt werden, tatsächlich auch verfolgt werden können. Bis hin zur Bestrafung der Auslösenden solcher Attacken mit den Mitteln des Arbeitsrechts.
Zurecht verweist die Dienstvereinbarung darauf, dass Mobbing und Bossing zuerst einmal erkannt werden müssen. Hier habe das subjektive Empfinden der Betroffenen Vorrang: „Von wesentlicher Bedeutung für das Erkennen von Mobbing und Bossing ist in erster Linie das subjektive Empfinden der Betroffenen.“ Betriebsinterne Informationsveranstaltungen und Schulungen sollen dabei helfen, Methoden von Mobbing und Bossing zu erkennen. Eine Liste von typischen Mobbing- und Bossingmethoden ist der Dienstvereinbarung angefügt.
Die Dienstvereinbarung geht des weiteren davon aus, dass Experten gebraucht werden, die Ansprechpartner für Betroffene sind (zusätzlich zu den Personalräten, den Schwerbehindertenbeauftragten u.a.) und die bei der Lösung der Konflikte helfen können:
„Die Dienststelle und der Personalrat bestimmen im Einvernehmen fünf Mobbing- und Bossingbeauftragte für eine Amtszeit von vier Jahren. Der PR unterbreitet dazu einen Vorschlag, den die Dienststelle genehmigt. Die Namen und Kontaktdaten der Mobbing- und Bossingbeauftragten werden betriebsüblich veröffentlicht.“
Schließlich wird detailliert festgeschrieben, wie Mobbing- und Bossingkonflikte bearbeitet werden sollen. In einer ersten Stufe soll in Gesprächen mit dem oder der Auslöserin eine Klärung herbeiführt werden. Gelingt das nicht, wird ein betriebsinterner Ausschuss gebildet, der aus einem vom Betroffenen bestimmten Ansprechpartner besteht und jeweils einem vom Personalrat und von der Dienststelle zu benennender Vertreter. Der Ausschuss verhandelt vertraulich. Der Ansprechpartner des Betroffenen trägt den Fall dem Ausschuss vor.
Der Ausschuss muss einstimmig darüber entscheiden, dass Mobbing/Bossing vorliegt und informiert darüber die Dienststelle. Der/die Auslöser*in wird außerdem „über die möglichen und arbeits-/dienstrechtlichen Zusammenhänge und Folgen seines zu beanstandenden Verhaltens am Arbeitsplatz aufgeklärt. Der Ausschuss unterbreitet den Beteiligten, nach vorheriger Rücksprache mit der Dienststelle, einen Verfahrensvorschlag und überwacht dabei die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen.“
Dazu gehört die „ Ankündigung bzw. Umsetzung von arbeits- und / oder disziplinarrechtlichen Schritten, gegebenenfalls mit Dokumentation in der Personalakte (z. Bsp. Ermahnung, Abmahnung, Kündigung, außerordentliche Kündigung) und gegebenenfalls Stellen einer Strafanzeige in schwerwiegenden Fällen durch die Dienststelle.“
Eine solch weitgehende Festlegung ist sicherlich notwendig, wenn eine Dienstvereinbarung über Mobbing und Bossing nicht ein zahnloser Tiger sein soll. Dass die Geschäftsführung dieses Unternehmens bereit war, sich selbst und das leitende Management mit derartigen Folgen von Bossingattacken zu konfrontieren, ist bemerkenswert. Offensichtlich hat sich hier die Erkenntnis durchgesetzt, dass schließlich sogar leitende Manager von Bossing betroffen sein können und dagegen geschützt werden müssen. Den einfachen Beschäftigten kommt diese Vereinbarung sowieso zugute.