Work-watch hat bereits zwei Mal über die üblen Methoden von TK MAXX berichten müssen, mit
denen sich der Weltkonzern kritischer Betriebsräte zu entledigen versucht:
https://www.work-watch.de/2023/01/tk-maxx-betriebsratsfresser-aus-leidenschaft/
https://www.work-watch.de/2023/05/tk-maxx-greift-meinungsfreiheit/
Gegen die Betriebsratsvorsitzende M. in ihrer Filiale in Aschaffenburg fährt der Konzern, unterstützt von einer externen Anwaltskanzlei (Jan Schiller), besonders scharfe Geschütze auf. M. wurde außerordentlich gekündigt, hat 4 Abmahnungen kassiert, 3 davon an einem Tag. 6 Monate – in Buchstaben sechs! – nach der außerordentlichen Kündigung leitet der Arbeitgeber ein Amtsenthebungsverfahren beim Arbeitsgericht Aschaffenburg ein. Wozu?, fragt man sich. Ist das alles nur Psychoterror? Des Weiteren platzierte TK MAXX zwei Anzeigen bei Staatsanwaltschaft, diese wurde mittlerweile eingestellt. Bisher musste sich M. 4 Mal vor Gericht mit ihrem Arbeitgeber auseinander setzten.
Der Arbeitgeber und seine Anwälte haben insgesamt fast 900 Seiten vollgetextet, um ihren Bossing-Attacken den Anschein von Berechtigung zu geben. Absurd, denn man muss dazu wissen, M. war zum Zeitpunkt ihrer Kündigung erst ein halbes Jahr im Amt. Diese immense Seitenzahl an Kündigungsbegehren beinhaltet um die 150 Vorwürfe, d.h. ein bis zwei Kündigungsgründe pro Arbeitstag. Also ehrlich: was für ein böses, böses Mädchen ist das, wie kann sie nur?
Mit zahlreichen ehrverletzenden und beleidigenden Äußerungen wird M. überdies im Betrieb und in der Öffentlichkeit verächtlich gemacht und/oder bedroht. Hier nur eine kleine Auswahl:
• „Mit diesen Betriebsräten muss man kurzen Prozess machen.“ – AG-Anwalt Gopargios Doukas am 6.4.23 vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg.
• „M. ist Marshallplan und muss umgehend aus dem Unternehmen ausscheiden. Eine weitere Fortsetzung und Zusammenarbeit im Unternehmen gibt es nicht.“ – AG-Anwalt Jan Schiller am 09.11.23 vor dem Arbeitsgericht Aschaffenburg.
Wer sich jemals mit Bossing als Strategie von Arbeitgebern befasst hat, wird wissen: was bei TK MAXX passiert, ist ein Paradebeispiel dieser Methode, kritische Betriebsräte zu vernichten. Die dazugehörigen Mittel sind die soziale Isolierung von den Kolleg*innen durch üble Nachrede, das Überschütten mit Prozessen, das irre Machen durch immer neue Vorwürfe, das nicht zur Ruhe kommen Lassen durch ständig neue Attacken.
Spätestens an diesem Punkt müsste eigentlich die Justiz hellhörig werden, die Staatsanwaltschaft müsste ausrücken und bei den Gerichten müssten die Alarmglocken schrillen.
Nichts davon passiert im Falle von M. Das ist außerordentlich betrüblich – aber leider außerordentlich üblich.
So hat das örtliche Arbeitsgericht im aktuellen Rechtsstreit zwischen M. und TK MAXX nicht etwa die zahllosen Attacken des Arbeitgebers zusammengezählt und als ein Indiz für Bossing gewertet,
sondern geht an die Auseinandersetzungen nach dem Motto heran: wo Rauch ist, ist auch Feuer.
Also: wenn ein Arbeitgeber eine Betriebsrätin so oft kündigt, wird es dafür auch Gründe
geben.
Das mag ja sein. Aber warum kommt das Gericht nicht auf die Idee, dass hier ein Arbeitgeber seine Beschäftigte schikanieren will, sie mürbe machen und zwingen will, das Handtuch zu werfen anstatt ihr demokratisches Wahlamt zu verteidigen, ihre Mitgliedschaft im Betriebsrat nämlich?
Warum rechnet das Gericht nicht Eins und Eins zusammen? Ein Kündigungsverfahren und noch ein Kündigungsverfahren und noch ein Kündigungsverfahren und noch eins!?
Warum erkennt es nicht die Prozesshanselei des Arbeitgebers, der die Verfahren gar nicht gewinnen will oder muss, weil er etwas anderes will: dass nämlich die Beschäftigte nervlich an ihr Ende kommt, krank wird und aufgibt!? Wie leider viele Betriebsräte in diesem Land zerstört werden, durch andauernde existenzbedrohende und am Ende haltlose Angriffe.
Wie viel weiß dieses Gericht von den Methoden des Bossing? Weiß es überhaupt, dass es so etwas gibt und dass die anwaltlichen Vollstrecker dieser Vernichtungspolitik außerordentlich gut dafür bezahlt werden? Dass sie mit ihrer „Expertise“ werben? Dass sie Schulungen anbieten und durchführen, in denen gelehrt wird, wie man kritische Betriebsräte fertig macht? Drehbücher des Grauens!
Wissen Arbeitsrichterinnen und -richter nicht, dass Bossing mittlerweile ein millionenschweres Geschäftsmodell ist? Warum gebietet die Justiz dem nicht Einhalt?
Sicherlich: dazu würde gehören, den Einzelfall genau zu analysieren, sich viele Zeuginnen und Zeugen anzuhören, möglicherweise Akten des Arbeitgebers einzusehen, die er nicht freiwillig herausgeben möchte.
Aber warum nehmen sich Arbeitsgerichte nicht die dafür notwendige Zeit? Sind sie nur überlastet oder ist es auch Unwille, vielleicht sogar der Glaube, in deutschen Unternehmen würde nicht mit dieser Brutalität versucht, Menschen zu brechen und ihre demokratischen Rechte gleich mit?
Sicherlich ist es am einfachsten, einen Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit einem Vergleich zu beenden. Der Beschäftigte bekommt eine Abfindung, das Unternehmen ist ihn los.
Und der große Vorteil für das Gericht: Ein Urteil muss nicht geschrieben werden, die langwierige Wahrheitsfindung erübrigt sich. Nächster Fall.
Nächster Fall? Nein: Derselbe Fall! Ja, so ist es beim Bossing. Im nächsten Kündigungsbegehren wird derselbe Versuch in anderer Hose und anderem Hemd gemacht, soll heißen: wieder wird auf denselben Arbeitnehmer geschossen, die Munition ist anders, die Begründung hat wechselt. Das Ziel bleibt gleich: vernichten.
Wird in einer solchen Situation, in der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer jagt und ihn zur Strecke bringen will, von einem Arbeitsgericht gegen den Willen des Gejagten ein Vergleich vorgeschlagen, dann wird das Gericht zum Treiber und macht sich der Hatz und der schließlichen Vernichtung des Arbeitnehmers mitschuldig.
Das ist nicht Rechtsprechung, das ist Unrechtsprechung. Das ist nicht die verbürgte Verteidigung der Rechte von Arbeitnehmern und Betriebsräten, das ist ihre Liquidierung. Das ist Feigheit vor der Wahrheitsfindung und einem der Wahrheit verpflichteten Urteil und zerstört die Rechtsordnung, in der ein Arbeitnehmer vor derartigen Attacken zu schützen ist und eben nicht ihnen ausgeliefert werden darf.
Hier braucht es den Aufschrei der Gewerkschaften, die bedingungslos hinter – NEIN: vor ihren Mitgliedern steht und diese vor solchen vernichtenden Angriffen schützt. Wenn man angesichts solcher Angriffe noch auf Sozialpartnerschaft hofft, kommt das einer gewerkschaftlichen Selbstdemontage gleich. Die eigenen Leute gehen drauf, das den Arbeitgeber unterstützende Verhalten der Justiz wird hingenommen.
M. ist über 60 Jahre alt und hat nach den Verleumdungen vor Gericht kaum noch eine Chance, ihren Beruf auszuüben. Hier wird ein Mensch vernichtet und an alle, die das mitbekommen, geht die Botschaft: „Seht genau hin, was mit denen passiert, die aufmucken.“ Aufmucken? Kann schon sein. Aber M. hat nichts weiter „verbrochen“, als ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzugehen und darauf zu achten, dass Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zugunsten von Arbeitnehmern auch angewendet werden. Und dabei im übrigen einige Erfolge zugunsten der Beschäftigten errungen.
Das Arbeitsgericht in Aschaffenburg, das den Fall (nein: die Fälle!!!) von M. gegen TK MAXX auf dem Tisch hat, drohte M. beim letzten Termin, sie solle die vorgeschlagene Abfindung von 0,7 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr nun endlich annehmen. Sonst würde ihr vielleicht sogar der gewerkschaftliche Rechtsschutz entzogen, der sei doch auch recht teuer.
Eine Drohung gegen den Arbeitgeber, das Gericht prüfe die Einleitung eines Strafverfahrens wegen §119 Betriebsverfassungsgesetz, Behinderung von Betriebsratsarbeit nämlich, ist von den Anwesenden nicht vernommen worden.
M. ist kein Einzelfall. Jedes Jahr werden in unserem Land Betriebsräte, die ihrer gesetzlichen Verantwortung nachkommen, von ihren Arbeitgebern und deren Unrechtsanwälte in langen, zermürbenden Prozessen kaputt und krank gemacht und entsorgt. Es wird bewusst und billigend in Kauf genommen, dass dabei Existenzen und ganze Familien zerstört werden.