Am 11.07.2024 verhandelt das Arbeitsgericht Potsdam 10:45 Uhr (Behlertstraße 3A, Haus C, 14467 Potsdam) unter dem Aktenzeichen: Ka4 Ca 10122/24 die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin. Ihr wird zur Last gelegt, sie habe interne Dokumente nach außen gegeben.
Hintergrund des Rechtsstreits, den die Kollegin mit ihrer Kündigungsschutzklage angestrengt hat, ist eine klassische Betriebsratsverhinderung im HPI.
Das HPI (https://hpi.de/; https://de.wikipedia.org/wiki/Hasso-Plattner-Institut) ist eine mit Millionen des SAP-Gründers Hasso Plattner und mit öffentlichen Geldern aufgebaute private Forschungs- und Lehreinrichtung. Etwa 400 Beschäftigte arbeiten dort, 1000 Student*innen werden am Institut ausgebildet.
Mehr als 200.000 Euro hat die Eigentümerin des Instituts, die Hasso Plattner Foundation (eine Stiftung bürgerlichen Rechts), 2023 ausgegeben, um die Bildung eines Betriebsrates zu verhindern und stattdessen einen recht- und zahnlosen „Institutsrat“ zu installieren (https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2024/03/01/hasso-plattner-institut-verhindert-betriebsrat-und-laesst-sich-das-ueber-200-000-euro-kosten/). Der Auftrag an eine im Frühjahr angeheuerte Kommunikationsagentur lautete: „„Das Hasso-Plattner-Institut ist kurzfristig mit dem Bestreben einiger Mitarbeitenden konfrontiert, einen Betriebsrat im Unternehmen errichten zu wollen. Ziel des Unternehmens ist es, die Mitarbeitendenvertretung alternativ in einem (…) Institutsrat zu institutionalisieren.“ Die Kommunikationsagentur solle demnach helfen, indem sie unter anderem „Narrative und Botschaften“ an die Mitarbeitenden entwickele, berichtet „correctiv“. Die bekannte Bossing-Anwaltskanzlei Pusch-Wahlig wurde für 180.000 Euro beauftragt. Es wurden auch zwei weitere Anwaltskanzleien beauftragt, die Gutachten zur Legitimierung des Institutsrats erstellen sollten. Dummerweise ließ sich eine Anwaltskanzlei in Ihrer Unabhängigkeit nicht beirren und riet in ihrem Gutachten u.a. aus datenschutzrechtlichen Gründen von der Gründung eines Institutsrats ab. Die Kanzlei Pusch Wahlig kam in ihrem Gutachten wenig überraschend zu dem Schluss, dass sei alles kein Problem und der Institutsrat wurde durchgeboxt. Er hat keinerlei gesetzlich verbriefte Rechte und ist als angebliche Arbeitnehmervertretung vom Wohl und Wehe ihres Arbeitgebers abhängig.
Plattner ist bekannt für seine Gewerkschafts- und Betriebsratsfeindlichkeit und hat im von ihm gegründeten börsennotierten Softwarekonzern SAP lange Jahre den Aufbau einer gesetzlich geschützten Interessenvertretung der Beschäftigten verhindert.
Die Bekämpfung von Arbeitnehmerrechten gehört in der IT-Industrie zum Geschäftsmodell. Hier zählt angeblich individuelle Kreativität, Gewerkschaften gelten als von vorgestern, Tarifgebundenheit ist selten, Konkurrenz in den Belegschaften zu schüren, gehört zur Personalpolitik. Kein Wunder, dass die Gründung einer kollektiv orientierten und gesetzlich abgesicherten Interessenvertretung IT-Unternehmer um ihr Profitkonzept fürchten lässt.
Trotz der guten journalistischen Arbeit und der mutigen Enthüllungen, gibt es am HPI immer noch keinen Betriebsrat. Die Vorfälle wurden trotz alarmierender Hinweise nicht strafrechtlich aufgearbeitet. Am Ende steht eine einfache Mitarbeiterin vor Gericht und muss sich gegen das HPI und Pusch Wahlig als vermeintliche Whistleblowerin gegen ihre fristlose Kündigung und eine womöglich drohende Strafanzeige wegen Verrat von Geschäftsgeheimnissen wehren. Sie sollte dabei nicht allein bleiben.