(gk) Am 12.September berichtete die ARD über Betriebsratsmobbing. Mal nicht über die vermeintliche „ Mutter aller Probleme“, die Migration, sondern über ein Thema, das alle abhängig Beschäftigten potentiell betrifft und erhebliche gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Folgen für Betroffene und ganze Belegschaften von Betrieben haben kann.
Anlaß war eine neue Studie des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts WSI, wonach das gesetzlich verbriefte Recht auf eine Betriebsratsgründung vor allem in kleineren und mittelständischen Betrieben häufig von Seiten des Arbeitgebers unterbunden wird. Das WSI hatte 131 örtliche Gliederungen verschiedener Gewerkschaften befragt.
Gestört werden, so heißt es in der Studie, die Wahlen etwa durch Kündigungen von Kandidaten, mithilfe von Anwaltskanzleien oder indem arbeitgebernahe Kandidaten unterstützt werden. Versuche, eine Betriebsratswahl oder die Arbeit des Gremiums zu stören oder gar zu verhindern, sind strafbar.
Natürlich – das gebietet die journalistische Sorgfaltspflicht – musste auch die Seite der Arbeitgeber von der tagesschau befragt werden. Deren Antwort hat es in sich: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) winkte ab, das sei kein Problem, und sie verwies darauf, dass bei den Staatsanwaltschaften nur wenige Verfahren zur Behinderung von Betriebsratsarbeit aufliefen.
“Die Behauptung erinnert eher an das Ungeheuer Loch Ness: Viele wollen es gesehen haben, nur entdeckt hat es bisher niemand”, heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitgeber. Die Zahl der Verfahren, in denen es zu einer Anklage komme, liege im einstelligen Bereich. An dieser Stelle endet der online-Artikel der Tagesschau.
Dabei hätte eine kurze Internetrecherche ergeben, dass die geringe Anzahl von Verfahren und Verurteilungen vor allem damit zusammenhängt, dass es sich dabei um ein Antrags- und kein Offizialdelikt handelt. D.h. die Staatsanwaltschaften müssen erst tätig werden, wenn etwa ein Betriebsrat Anzeige nach § 119 BetrVG erstattet. Wenn er noch nicht existiert, entfällt diese Möglichkeit. Und andernfalls werden, wie wir bei work-watch schon häufig beobachten konnten, Klage führende Betriebsräte noch heftiger aus dem Betrieb gedrängt – entweder mit Drohungen, fristlosen Kündigungen oder Abfindungen, manchmal auch eine Kombination aus allem. Und stellt tatsächlich mal ein Betriebsrat oder eine Gewerkschaft dann doch Anzeige wegen Betriebsratsmobbings, lehnen die adressierten Staatsanwaltschaften eine Ermittlung nicht selten ab, angeblich auch wegen mangelndem öffentlichen Interesse.
Das Ungeheuer existiert – man muss es nur sichtbar machen wie z.B. die Wissenschaftler des WSI. Ob, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, eine Verschärfung des § 119 BetrVG in der Ampel beschlossen wird, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Dann müssten nämlich Vorstände und Geschäftsführer tatsächlich mit Gefängnisstrafen rechnen, die sich des Betriebsratsmobbings schuldig machen. Mit der FDP wird diese Gesetzesreform keine Chance haben. Schon gar nicht, seitdem sich auch die Koalition von der AfD die politische Agenda vorgeben lässt. Aber so ist es nun mal: Es gibt Probleme, die keine sind oder maßlos aufgebauscht werden. Und es gibt Probleme, die sind real und existenzbedrohend für viele, aber es wird kaum darüber geredet.