Es ging rapp zapp und ein ehemaliges Betriebsratsmitglied wurde vor die Tür gesetzt. Im dm-Verteilzentrum Weilerswist wird halt nicht lange gefackelt, wenn es um den Schutz von Frauen vor Belästigung geht.
Denn Herr P., so wollen wir ihn hier nennen, hatte eine Mitarbeiterin angemacht. Das bestätigte die einzige Zeugin, die im November 24 beim Kündigungsschutzverfahren von P. aussagte. Was sie konkret berichtet, rückt die Kündigungsaktion von dm und ihrer Hausanwaltskanzlei Gleiss Lutz allerdings in ein ganz anderes Licht.
„Wikipedia schreibt zu dieser Kanzlei: „Gewerkschaftliche Initiativen werfen ihr Beihilfe zum Union Busting (Gewerkschaftsvermeidung) vor. Dies begründen sie unter anderem mit der Ausgestaltung von Werkverträgen für Daimler, durch die die davon betroffenen Arbeiter rund ein Drittel des Gehalts von Festangestellten erhalten.[14] Zuletzt vertritt die Kanzlei deliveroo in einem Rechtsstreit um Entfristung einer gewählten Betriebsrätin.[15]“
Sie habe, so erzählt die Zeugin sichtbar aufgebracht, die Angelegenheit mit P. selber klären wollen, sei aber von der Geschäftsführung daran gehindert worden. Die habe P. während ihres Urlaubs gekündigt, ohne dass sie Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihm gehabt hätte. Stattdessen sei sie von der Geschäftsführung aufgefordert worden, den Vorfall ausführlich zu Protokoll zu geben. Das Protokoll selbst habe jemand anders verfasst, sie selbst habe es nie zu Gesicht bekommen. Ob ihre Unterschrift darunter wirklich von ihr stamme, würde sie durchaus bezweifeln.
Ein harter Vorwurf, der vor Gericht nicht aufgeklärt werden konnte. Was auch nicht aufgeklärt wurde: Warum hat dm eigentlich seine Vorgaben aus der hauseigenen „Betriebsvereinbarung Betriebliches Sozialmanagement“ (BSM) nicht umgesetzt? Danach ist vorgesehen, dass „bei Arbeitsplatzproblemen und Konflikten“ sowie bei „Fragen zum Umgang mit Situationen oder Verhaltensweisen am Arbeitsplatz“ Beratung und Unterstützung für die Betroffenen angeboten werden. Als Ziel benennt das BSM: „ Die Kolleginnen/Kollegen werden darin unterstützt selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihre Probleme für sich und andere zu lösen.“
Nichts davon ist im Falle von P. geschehen. Wir wollten von der Geschäftsführung wissen, warum nicht und ihr einen ausführlichen Brief mit mehreren Fragen geschrieben. Eine Antwort haben wir nicht erhalten. Deshalb gehen wir davon aus, dass die übereinstimmenden Schilderungen von P. und der Zeugin zutreffen.
Danach ist weder dem Ansinnen der Zeugin entsprochen worden, mit P. ein klärendes Gespräch zu führen noch ist P. von der Geschäftsführung überhaupt auch nur angehört worden, was er selber zu dem Konflikt zu sagen hat. Da P. noch nie zuvor aufgrund eines vergleichbaren Vorfalls abgemahnt wurde, drängt sich der Verdacht auf, dass das ehemalige Betriebsratsmitglied auf kaltem Wege entsorgt wurde.
P. hat im Kündigungsschutzverfahren einem Vergleich zugestimmt, weil er angesichts der Schlammschlacht gegen ihn nicht zurück wollte zu dm. Die Zeugin ist auch nicht mehr dort beschäftigt. „Niemals“, so erklärte sie, „will ich da noch mal arbeiten. Die Geschäftsführung hat mich erpresst, damit sie P. rauswerfen kann. Ich finde das schrecklich.“
Der Fall reiht sich ein in die Verschärfung der Personalpolitik von dm, z.B. auch im Verteilzentrum Waghäusel. Dort hatte dm 2023 nach Angabe der Gewerkschaft ver.di innerhalb von drei Monaten sechzehn Beschäftigten wegen angeblicher Krankheit gekündigt, darunter einem Ehepaar mit drei Kindern. Verdi.di rief deshalb zu Protesten auf. Der Prozess endete mit dem Erfolg der Eltern: dm musste ihre Kündigung zurücknehmen.
Das Unternehmen setzt für bessere Gewinnmargen anscheinend aufs Spiel, was dort in Jahrzehnten an positivem Betriebsklima aufgebaut wurde.