Die späte Herbstsonne schien strahlend und mild auf die Szene im Industriegebiet von Köln-Marsdorf. Einige Aktivsten von “work-watch” hatten sich versammelt, um mit Umhängeschildern und Flugblättern gegen den rasanten Abbau von allem, was gut war bei der Firma Procar, zu protestieren (work-watch berichtete).
“Die Beschäftigten sind hier Bettler” war auf den Schildern genauso zu lesen wie “Hier ist der Kunde kein König”. Könige, wenn auch kleine, gibt es natürlich trotzdem in diesem Unternehmen. Aber über den engen Kreis der Geschäftsführung geht diese besondere Sorte Menschen nicht hinaus.
Und so hieß es auf dem Flugblatt:
Procar am Ende? Überleben mit Tarifvertrag!
Procar blutet aus, zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen das Unternehmen, sobald sie eine andere Arbeitsstelle gefunden haben.
Kein Wunder. Das Arbeitsklima ist mittlerweile unterirdisch. Denn die Weigerung der Geschäftsführung, zum Tarifvertrag zurückzukehren, wurde vor Monaten mit aller Gewalt durchgesetzt. Und wer die herrschende Personal- und Betriebspolitik kritisiert, bekommt auch heute Druck. Da dreht sich so mancher weg. Jetzt sollen sogar Zeitarbeiter die Arbeit machen, die sonst liegen bleibt.
Dass unter einem solchen Klima selbst die Kunden zu leiden haben, ist logisch. Angeblich hat Procar trotzdem eine positive Kundenbefragung nach München zur BMW-AG gemeldet. Wie ist die zustande kommen, fragen sich viele. Und was hat sie mit der Wahrheit zu tun?
Wahrscheinlich genauso viel wie die positive Mitarbeiterbefragung, die ebenfalls nach München gemeldet wurde.
Ist ein Unternehmen, das die Realität nicht wahrhaben will, am Ende? Das ist zu befürchten. Denn selbst im fernen München wird man sich nicht auf Dauer an der Nase herumführen lassen.
Was ist zu tun?
In erster Linie müssen die Mitarbeiter wieder gewertschätzt werden. Und das heißt: ihnen müssen wieder die Rechte zugestanden werden, die sie laut Tarifvertrag auch besitzen. Wenn die derzeitige Geschäftsführung dazu nicht in der Lage ist, sollte sie Platz für eine bessere machen. So einfach ist das. Nicht nur bei einem anständigen Fußballverein, der vom Abstieg bedroht ist.
Um die Mitarbeiter und Kunden direkt anzusprechen, betraten die Aktivisten nach einiger Zeit vor dem Tor schließlich das Betriebsgelände, steckten die Flugblätter hinter die Scheibenwischer der BMWs und anderer Markenfabrikate und drückten auch einem höheren Angestellten ein Blatt in die Hand. Ein Fernseh-Journalist hielt das Ganze mit der Kamera fest, gestand dem höheren Angestellten allerdings auf Nachfrage zu, er werde ihm bei Veröffentlichung des Materials einen schwarzen Balken über die Augen legen. Wenn er das wünsche. Der Angestellte wünschte das und bat die Anwesenden, nun mit ihrer Aktion vor dem Tor weiterzumachen.
Das geschah, wie vorgeschlagen noch eine weitere halbe Stunde. Nicht viel später fuhr weiterer hoher Besuch bei Procar vor. Die Eigentümer waren eigens aus dem Ausland angereist und wollten schauen, was die Geschäftsführung so mit ihrem Geld angestellt hat in den letzten Monaten und Jahren. Die Gespräche darüber sollen nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgelaufen sein.