(gk) Die gewonnene Kündigungsschutzklage des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden des Heidelberger Dosieranlagenherstellers ProMinent ist immerhin ein Etappensieg. Doch sie ist sicher nicht das letzte Wort im Konflikt zwischen Teilen des Betriebsrates und der Geschäftsführung, zu der auch Rainer Dulger, der amtierende Präsident des Arbeitgeberverbandes BDA, und sein Bruder gehören. Die Richterin hat in ihrer Urteilsbegründung die langjährige Beschäftigung des fristlos Gekündigten höher gewichtet als die Beleidigungen, die er über soziale Netzwerke gepostet haben soll und die „in einer erhitzten Atmosphäre“ getätigt worden seien.
Der ProMinent-Anwalt Kai Golücke hat angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Häufig bedeutet das: der Arbeitgeber muss auch nach einer verlorenen Kündigungsschutzklage den Gekündigten bis zum abschließenden LAG-Urteil nicht beschäftigen und bezahlen. Unrechtsanwälte spielen gerne damit. Sie wollen Zeit schinden, die betroffenen Kollegen zermürben und finanziell an die Wand drücken. Für viele Betroffene endet die Reise dann beim Arbeitslosengeld II, spricht Hartz IV. In diesem Fall allerdings verurteilt das Gericht ProMinent dazu, den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits [..] zu den bisherigen Bedingungen zu beschäftigen“.
Die Geschäftsführung gibt sich trotz des Urteils siegessicher. Am 2.Dezember, nur einen Tag nach dem Gerichtsurteil, konnten die Beschäftigten von ProMinent in einem Aushang lesen: „Wir werden gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg natürlich in Berufung gehen, weil wir weiterhin der Auffassung sind, dass wir derartige Vorfälle nicht akzeptieren können, und dass wir uns schützend vor unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen müssen. Wir sind zuversichtlich, dass in den weiteren Instanzen zu unseren Gunsten entschieden wird.“ Gezeichnet war der Aushang von Andreas Dulger, dem Vorstand der Geschäftsführung.
„Schützend vor unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“? Fest steht: Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende ist nicht der einzige, gegen den die Geschäftsführung vorgeht. Auch andere Betriebsräte, die sich für die Interessen der Beschäftigten einsetzen, etwa beim Thema Arbeitsschutz und Digitalisierung, sind ins Visier geraten. Sie erhalten Abmahnungen und werden laut dem Hamburger Magazin Stern sogar bedroht. Deshalb sind einige Betriebsräte mittlerweile zurückgetreten. Engagierte Kolleg*innen des Klägers, die mit ihm zusammen eine IG-Metall Wahlliste für den Betriebsrat stellten, haben den Betrieb sogar ganz verlassen. Sie haben den Druck und die Angriffe nicht mehr ausgehalten. Bei vielen ist die Gesundheit stark beeinträchtigt, es gibt Beschäftigte, die seit vielen Wochen, manche seit Monaten krank geschrieben sind.
All das sind deutliche Merkmale des Betriebsrats-Mobbings, das laut Ampel-Koalitionsvertrag künftig schärfer geahndet werden soll. Dazu gehört möglicherweise auch, dass die Geschäftsführung in einem Aushang offen eine Liste von Kandidaten unterstützte, die gegen die engagierten Betriebsräte antrat und tatsächlich mit knapper Mehrheit in das Gremium einzog.
„Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt ein“, steht im Koalitionsvertrag geschrieben. Bisher sind Vergehen nach § 119 BetrVG Antragsdelikte. Die Ermittlungen müssen von Betriebsräten oder Gewerkschaften beantragt werden. Die jährlichen Anzeigen konnten bisher bundesweit an zwei Händen abgezählt werden, ganz zu schweigen von den letztendlich ergangenen Verurteilungen von Arbeitgebern, die Raritätenwert genießen. Sollte die Behinderung der Betriebsräte tatsächlich als Offizialdelikt eingestuft werden, müssten Staatsanwaltschaften selbständig gegen Arbeitgeber ermitteln, wenn ihnen z.B. ein Fall der Vereitelung oder Manipulation von Betriebsratswahlen, der Behinderung der Gremienarbeit oder der Bevor- oder Benachteiligung von BR-Mitgliedern aufgrund ihrer Funktion bekannt wird. Bisher war die angekündigte Gesetzesverschärfung auf Regierungsseite vor allem Gegenstand in Festreden des Bundeskanzlers. Konkrete Schritte, die Verschärfung auch in Kraft zu setzen, sind derzeit nicht bekannt. Wäre der § 119 BetrVG ein Antragsdelikt, würde womöglich der Arbeitgeberpräsident mit seinem Bruder auf der Anklagebank sitzen.